UK: 6000 Apotheken gehen ab April auf die Barrikaden 19.03.2025 08:44 Uhr
Angesichts dramatisch gestiegener Betriebskosten und einer fehlenden Finanzierung drohen hunderte Apotheken in Großbritannien mit drastischen Kürzungen der Öffnungszeiten und dem Aussetzen wichtiger Gesundheitsdienste. Der „National Pharmacy Association“ (NPA) ist nach eigenen Angaben „keine andere Wahl geblieben“, als ihren 6000 Mitgliedern erstmals in ihrer Geschichte kollektive Maßnahmen zu empfehlen, sofern die Regierung nicht „neue und ausreichende“ Mittel zur Deckung der erheblichen neuen Kosten bereitstellt.
Rund 90 Prozent der Arbeit einer durchschnittlichen Apotheke werden über den staatlichen Gesundheitsdienst NHS finanziert; doch laut NPA haben viele Mitglieder noch keine Bestätigung der Finanzierung für die Jahre 2024/25 oder 2025/26 erhalten. „Erhöhungen der nationalen Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber, des nationalen Mindestlohns und der Gewerbesteuern ab April könnten die Patientensicherheit gefährden“, warnt die NPA gegenüber „The Guardian“. Zuletzt hatte die Organisation im vergangenen Juni unter dem Motto „Save our Pharmacies“ zu einem eintägigen Protest aufgerufen.
Zuletzt hatte der britische Premierminister Keir Starmer geplant, den NHS aufzulösen, um Bürokratie abzubauen, Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern. Apotheken sollen eine zentrale Rolle im Umstrukturierungsplan spielen, der den Fokus des NHS von Krankenhäusern auf die Gemeinschaft verlagern will. Das Gesundheitsministerium arbeite an einer Lösung, um die Patientenversorgung über Apotheken sicherzustellen.
Finanzielle Unsicherheit gefährdet Apotheken
Im November stimmten 3300 unabhängige Apotheken mit einer Wahlbeteiligung von 63 Prozent für die Empfehlung der NPA, ihre Öffnungszeiten zu reduzieren und Botendienste einzustellen, sollte die Regierung keine zusätzlichen 1,7 Milliarden Pfund (rund 1,96 Milliarden Euro) für die Vor-Ort-Apotheken bereitstellen.
Seit 2017 sind in Großbritannien bereits 1300 Apotheken geschlossen worden. Nick Kaye, Vorsitzender der NPA, erklärte, es sei „besser, den Zugang kurzfristig zu reduzieren, als die Apotheken unter der Last der nicht tragbaren Betriebskosten völlig zusammenbrechen zu lassen“. Ohne eine neue Finanzierungsvereinbarung befürchtet die NPA, dass viele Apotheken ihre Öffnungszeiten dauerhaft verkürzen, kostenlose Botendienste einschränken oder gar einstellen oder bestimmte Gesundheitsdienste wie Notfallverhütung und Suchtberatung streichen müssen. „Apotheken haben in Rekordzahlen geschlossen, und die verbleibenden hängen nur noch am seidenen Faden und warten auf eine finanzielle Regelung, die die Dienste schützt“, erklärt Kaye weiter.
Schließungswelle erwartet
Die Sorgen über die Schließung weiterer Apotheken wurden auch von Dr. Leyla Hannbeck, Vorstandschefin der Independent Pharmacies Association, geteilt. Sie warnte, dass viele Apotheken aufgrund der Finanzierungsprobleme bereits ihre Öffnungszeiten reduziert hätten und dieser Trend sich weiter verstärken werde. „Wir erwarten eine starke Zunahme von Apothekenschließungen, es sei denn, das Finanzministerium und die Minister beginnen zu erkennen, welche enormen Auswirkungen dies auf die Patientenversorgung hat“, erklärte sie.
Die Liberaldemokraten forderten die Regierung auf, schnell zu handeln, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Ein Sprecher des Ministeriums für Gesundheit und soziale Versorgung wies jedoch darauf hin, dass die Regierung Gespräche mit dem Sektor führe, um eine langfristige Lösung zu finden und betonte, dass die präventiven Maßnahmen der NPA „unnötige Störungen für die Patienten verursachen“ könnten.