Schweiz

Streit um Vorteile für Zur Rose Julia Pradel, 08.09.2015 18:04 Uhr

Berlin - 

In der Schweiz geht der Streit der zwei Kammern des Parlaments um Versandapotheken weiter: Der Ständerat fordert nach wie vor Erleichterungen für Versandapotheken, die der Nationalrat ablehnt. Am Dienstag hat sich der Ständerat erneut gegen die Änderungsvorschläge des Nationalrats am Heilmittelgesetz (HMG) gestellt.

Das seit 2002 geltende HMG wurde in zwei Etappen revidiert. Die ersten Änderungen traten bereits 2010 in Kraft. Damit wurden etwa die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Spitäler ihre Patienten besser mit Arzneimitteln versorgen können. Die zweite Etappe wurde 2012 in Angriff genommen. Im Mai 2014 brachte der Nationalrat verschiedene Änderungen ein. Seitdem streiten die beiden Kammern des Schweizer Parlaments um die Neuregelungen.

Einig sind sich National- und Ständerat, dass Apotheken und Drogerien mehr Kompetenzen bei der Abgabe von Arzneimitteln erhalten sollen. Drogisten sollen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel selbstständig abgeben dürfen. Apotheker sollen im Gegenzug die Möglichkeit bekommen, einen Teil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel auch ohne Rezept abzugeben. Dafür sollten die Präparate in verschiedene Abgabekategorien eingeteilt werden, die derzeit erarbeitet werden. Die Neuerung tritt aber erst in Kraft, wenn das HMG im Ganzen verabschiedet wurde.

Das kann allerdings noch dauern. Denn der Nationalrat will unter anderem bei Rezepten schärfere Regeln, die der Ständerat ablehnt. Der Nationalrat will erreichen, dass Ärzte auch dann ein Rezept ausstellen müssen, wenn sie selbst die Arzneimittel abgeben. Außerdem sollen den Versandapotheken Rezepte über verschreibungs- und apothekenpflichtige Arzneimittel vorliegen, bevor die Medikamente verschickt werden. Versandapotheken hatten die Vorgabe aber umgangen, indem sie das nötige Rezept im Nachhinein besorgten. Dem wollte der Nationalrat einen Riegel vorschieben, der Ständerat sperrt sich.

Im Dezember 2014 legte der Ständerat seinen Beschluss vor, im Mai der Nationalrat seinen abweichenden, nun wieder der Ständerat seinen. Gesundheitsminister Alain Berset erklärte in der heutigen Sitzung, die Frage sei, wie sichergestellt werden könne, dass das Niveau der Beratung bei Vor-Ort-Apotheken und im Versand dasselbe sei. Roland Eberle, in dessen Heimatkanton Thurgau die Versandapotheke Zur Rose ihren Sitz hat, beharrte darauf, dass es keinen Sinn ergebe, dass man ein Rezept für eine Bepanthen-Salbe brauche und diese über eine Versandapotheke beschaffen wolle.

Außerdem hatte der Nationalrat vorgeschlagen, dass Unternehmen, die Arzneimittel gegen seltene Krankheiten erforschen und auf den Markt bringen, mit einem befristeten Monopol belohnt werden. Damit sollte ein Anreiz für die Erforschung von Orphan Drugs geschaffen werden. Der Ständerat lehnt das Monopol für Orphan Drugs ab und setzt stattdessen auf einen längeren Schutz der Zulassungsunterlagen. Die Vorgaben für die Versandapotheken will der Ständerat vereinfachen statt strenger regulieren.

Gestritten wird auch um geldwerte Geschenke für Ärzte und Apotheker: Der Nationalrat will geringfügige, sozial übliche Vorteile sowie Rabatte bei der Bestellung von Heilmitteln erlauben. Das Verbot nicht gebührender Vorteile soll sich auf alle Heilmittel beziehen, neben Medikamenten auch auf Medizinprodukte wie Prothesen und Implantate. Der Ständerat will nur verschreibungspflichtige Arzneimittel erfassen.

Auch über die Art und Weise, wie Arzneimittel in die verschiedenen Abgabekategorien, sind sich die beiden Kammern uneins. Der Nationalrat will dem Schweizer Heilmittelinstitut Swissmedic eine ständige Kommission zur Seite stellen, der Ständerat lehnt dies ab. Auch der Kompromiss, die Kommission nur für eine Übergangszeit einzurichten, fand keine Zustimmung.

Damit geht das parlamentarische Verfahren in die nächste Runde. Ein Gesetz wird in der Schweiz erst dann vom Parlament verabschiedet, wenn die Beschlüsse von National- und Ständerat übereinstimmen. Ist das nach der ersten Detailberatung nicht der Fall, beginnt das Differenzbereinigungsverfahren, in dem sich der Entwurf zum HMG derzeit befindet.

In dem Differenzbereinigungsverfahren verabschieden National- und Ständerat abwechselnd Beschlüsse, insgesamt vier. Die heutige Entscheidung des Ständerats war der zweite Beschluss in diesem Verfahren. In den kommenden Monaten wird sich nun erneut der Nationalrat mit dem Gesetzentwurf befassen, anschließend noch einmal der Ständerat. Einigen sich die beiden Kammern nicht, tritt die Einigungskommission zusammen, die aus Mitgliedern beider Kammern besteht. Wird deren Vorschlag von National- und Ständerat angenommen, kommt es zu einer zeitgleichen Schlussabstimmung in beiden Kammern.