Niederlassungsfreiheit

EuGH entscheidet über Apotheken-Planung Julia Pradel, 07.02.2014 15:01 Uhr

Transparente Planung? Der EuGH entscheidet in der kommenden Woche, ob die Niederlassungsbeschränkungen für Apotheker in Österreich fair sind. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Apotheken sind Sache der Mitgliedstaaten, so hat es der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits mehrfach bestätigt. Nicht nur das Fremd- und Mehrbesitzverbot, sondern auch die Bedarfsplanung sind aus Sicht der Richter in Luxemburg mit dem EU-Recht vereinbar. Allerdings muss es fair und transparent zugehen. Ob das österreichische System diese Voraussetzung erfüllt, wird sich in der kommenden Woche entscheiden.

Zwei Apothekerinnen aus Österreich hatten gegen die geltende Bedarfsplanung geklagt. Es geht um den Ermessensspielraum von Behörden und Gerichten: Laut Gesetz dürfen Apotheken nur dann eröffnet werden, wenn die bestehenden Apotheken im Umfeld jeweils weiterhin rechnerisch mindestens 5500 Personen versorgen. Neben den Einwohnern müssen auch Pendler und Touristen berücksichtigt werden.

Ob diese und andere Voraussetzungen erfüllt sind, prüft die zuständige Behörde – also die jeweilige Bezirkshauptmannschaft oder die Stadt. Die Apothekerkammer und gegebenenfalls die Ärztekammer geben ein Gutachten zum Bedarf ab. Nicht nur die Kundenzahl, sondern auch Mindestabstände zu anderen Apotheken und ärztliche Hausapotheken müssen beachtet werden.

Wird die Konzession verweigert, kann gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörden Einspruch eingelegt werden. Andersherum können die benachbarten Apotheken gegen eine erteilte Genehmigung vorgehen.

So gelangten die beiden aktuellen Verfahren vor den EuGH: In Linz hatte sich eine Apothekeninhaberin gegen eine Neueröffnung gewehrt, in Altmünster am Traunsee hatte eine Apothekerin gegen die Ablehnung ihres Antrags durch die Behörde geklagt.

Während der erste Streit inzwischen beigelegt ist, weil die Pharmazeutin ihren Einspruch zurückgezogen hat, wird im zweiten Verfahren nach wie vor gestritten. Dabei geht es nicht nur um den Ermessensspielraum der Behörden, sondern auch um die Frage, ob in bestimmten Fällen Ausnahmeregelungen notwendig sind. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat beide Fälle zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Bei der Apothekerkammer hätte man sich einen Richterspruch aus Luxemburg gerne erspart; jetzt gibt man sich aber verhalten optimistisch: Mit Blick auf die vorherigen Entscheidungen wertet es Kammeramtsdirektor Hans Steindl als gutes Zeichen, dass es weder eine mündliche Verhandlung gegeben habe noch Schlussanträge. „Wir gehen davon aus, dass es bei der bisherigen Rechtsprechung bleibt.“

2010 hatte der EuGH in einem Vorlageverfahren aus Spanien entschieden, dass eine Bedarfsplanung grundsätzlich mit dem EU-Recht vereinbar sei. Allerdings wurden die konkreten Zulassungsregeln für neue Apotheken in der Region Asturien – 250 Meter Abstand und mindestens 2800 Einwohner pro Apotheke – als zu pauschal kritisiert. Die Kriterien sollten regional angepasst werden, so die Richter. Die konkrete Ausgestaltung überließ der EuGH aber den nationalen Behörden und Gerichten.

Schon ein Jahr zuvor hatte der EuGH im Fall von Zahnambulatorien in Österreich das Prinzip der Bedarfsplanung bestätigt. Nationale Vorschriften seien nicht zu beanstanden, wenn sie der „Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen ärztlichen oder klinischen Versorgung“ dienten, hieß es damals.

Das österreichische System der Bedarfsplanung war auch von der EU-Kommission beanstandet worden. Im Oktober 2005 hatte die Brüsseler Behörde den ersten Mahnbrief nach Wien geschickt; das Vertragsverletzungsverfahren wurde Ende 2011 zusammen mit denen gegen eine Reihe weiterer Mitgliedstaaten eingestellt.

Österreich war wegen eines Gutachtens des Centrums für Europarecht der Universität Passau in die Schusslinie des damaligen Binnenmarktkommissars Charlie McCreevy geraten: Der Autor der Studie, der später selbst bei der EU-Kommission arbeitete, hatte die Probleme kritisiert, mit denen eine deutsche Apothekerin bei der Niederlassung im Burgenland konfrontiert worden war.

Das Verfahren gegen Italien ging auf eine Beschwerde von Celesio zurück: Im August 2004 hatte der Stuttgarter Pharmahändler in Brüssel moniert, dass sich Großhändler nicht mehr an kommunalen Apotheken beteiligen können sollten. Hinter dem Verfahren gegen Spanien stand der Apothekerverein Plafarma, der sich seit 1995 immer wieder an die Brüsseler Behörde gewandt hatte.

Das Verfahren gegen das deutsche Mehrbesitzverbot, das parallel zum Vorlageverfahren wegen der Saarbücker DocMorris-Apotheke geführt wurde, ging auf eine parlamentarische Anfrage des EU-Abgeordneten Dr. Andreas Schwab (CDU) zurück.

Weitere Vertragsverletzungsverfahren gab es gegen Portugal, Griechenland, Frankreich und Bulgarien. Die Regierung in Sofia war übrigens die einzige, die sich dem Druck aus Brüssel beugte.