Italien

Apothekenpflicht und Apothekerketten APOTHEKE ADHOC, 23.02.2015 14:40 Uhr

Berlin - 

Es sei ein „Sieg für die Patienten, insbesondere die älteren“, twitterte die italienische Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin am Freitag, noch während sie mit ihren Kabinettskollegen über das Wettbewerbsgesetz verhandelte. Was sie meinte, war der Erhalt der Apothekenpflicht für verschreibungspflichtige, aber nicht erstattungsfähige Medikamente. Was sie in dem Zweizeiler nicht erwähnte: Die Regierung will das Mehrbesitzverbot aufheben.

Es gebe keine Änderungen, was die Abgabe von Arzneimitteln oder die personelle Ausstattung in den Apotheken angehe, sagte Entwicklungsministerin Federica Guidi im Nachgang zur Kabinettssitzung. Die Beschränkung auf vier Apotheken pro Apotheker sei aber nicht mehr zeitgemäß und werde deshalb abgeschafft. Um die finanzielle Stabilität und damit die Überlebensfähigkeit der Apotheken zu stärken, werde man außerdem den Betrieb von Apotheken in Kapitalgesellschaften erlauben, so Guidi weiter.

Ob damit das Fremdbesitzverbot komplett fällt, ob – wie in Österreich – nur Minderheitsbeteiligungen erlaubt werden oder ob – wie in Frankreich – nur Apotheker sich in solchen Firmen zusammenschließen dürfen, ist bislang offen. Der italienische Apothekerverband hofft, die geplanten Maßnahmen im parlamentarischen Verfahren noch zu Fall bringen zu können.

Immerhin werden Supermarktketten nicht plötzlich zur neuen Konkurrenz für die Apotheker: Medikamente der sogenannten Liste C, die verschreibungspflichtig, aber nicht erstattungsfähig sind, wird es weiterhin nur in Apotheken geben. Die Betreiber der sogenannten Parafarmacien hatten für eine Freigabe lobbyiert, weil damit eine Abgrenzung zu regulären Apotheken kaum noch nachvollziehbar gewesen wäre.

Der EU-Apothekerverband PGEU hatte an die italienische Regierung appelliert, die geplante Entlassung zu überdenken: In keinem anderen Land dürften Rx-Medikamente außerhalb von Apotheken verkauft werden. „Dafür gibt es gute Gründe. Arzneimittel können tödlich wirken. Ihr rationaler und angemessener Einsatz ist essenziell, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen und einen Schaden für die Patienten auszuschließen.“

Offenbar konnten sich die Kritiker durchsetzen. Man habe deutlich machen können, dass eine Freigabe zu einem Mehrverbrauch der betroffenen Medikamente und damit zu einem Missbrauch führen könnte, so Lorenzin. Neben Mehrausgaben wurde auch die Gefahr für die Überlebensfähigkeit kleinerer Apotheken auf dem Land ins Feld geführt.

Lorenzin gehört der Mitte-Rechts-Partei Nuovo Centrodestra (NCD) an, die sich im November 2013 aus Silvio Berlusconis Partei Il Popolo della Libertà abgespalten hatte. Die NCD steht den Apothekern näher als die beiden anderen Koalitionspartner, die Partito Democratico (PD) und die Bürgerliste Scelta Civica (SC).

In Italien wird seit Beginn der Finanzkrise immer wieder über eine Liberalisierung des Apothekenmarktes diskutiert. Der ehemalige Ministerpräsident Mario Monti hatte bereits die Bedarfsplanung gelockert und verschiedene Arzneimittel gleichzeitig aus der Rezept- und aus der Apothekenpflicht entlassen.

Dabei hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Befürwortern einer Liberalisierung Ende 2013 erneut den Wind aus den Segeln genommen: Die Regelung stelle zwar eine Beschränkung dar, sie sei aber gerechtfertigt, wenn es das Ziel der Regelung sei, „eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, so die Richter mit Blick auf Bedarfsplanung und Apothekenpflicht.

Könnten verschreibungspflichtige Arzneimittel auch in Parafarmacien verkauft werden, würde die Apothekenplanung ad absurdum geführt: Denn OTC-Shops könnten sich überall niederlassen und würden sich auf Ortschaften konzentrierten, die als am rentabelsten und attraktivsten gälten. Es bestehe damit die Gefahr, dass die Apotheken einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen einbüßten. Weil aber nur Apotheken zahlreiche Vorgaben beachten müssen, würde aus Sicht der Richter die Qualität der Dienstleistung sinken.

Der Einnahmerückgang könnte außerdem dazu führen, dass einige Apotheken endgültig schließen müssten, sodass sogar ein Apothekenmangel eintreten könnte und keine sichere Arzneimittelversorgung gewährleistet wäre. Die Änderung hätte daher „negative Auswirkungen auf die Effektivität und Stabilität der gesamten Apothekenplanung“, so die Richter.