Finanzierungsbedarf für neue Digitalgesellschaft

Gedisa: DAV will Millionen von Landesverbänden Tobias Lau, 11.08.2021 14:54 Uhr

Finanzspritze: Der DAV braucht mehrere Millionen Euro für eine zu gründende Digitalgesellschaft – und fragt bei den Landesverbänden nach.
Berlin - 

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) plant, eine eigene Digitalgesellschaft zu gründen, die digitale Angebote im Gesundheitswesen entwickeln und betreiben soll. Bezahlen sollen sie die Landesverbände. Da der Finanzbedarf jedoch weit über die eine Million Euro hinausgehen wird, die das DAV-Portal gekostet hat, werden wohl mehrere Verbände die Investition durch ihre Mitglieder absegnen lassen. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) plant deshalb, seine Mitgliederversammlung vorzuverlegen. Offensichtlich herrscht Gesprächsbedarf.

Der DAV hatte seine Digitalkompetenz zuletzt nicht so sehr nach außen gekehrt, das Fiasko um die Sicherheitslücken beim Impfzertifikatemodul ist noch nicht ganz ausgestanden. Aber auch mit Blick auf das E-Rezept sieht es nicht rosig aus: Lange trommelte der DAV für seine E-Rezept-Webapp, forderte für sie gar ein E-Rezept-Monopol. Es kam bekanntlich anders. Seitdem hat man auch fast nichts mehr von der DAV-App gehört. Offenbar lässt man sich von diesen Rückschlägen aber nicht unterkriegen – im Gegenteil: Er beabsichtigt, eine „Gesellschaft für digitale Services der Apotheken“ zu gründen, kurz Gedisa.

Da sich der DAV aber aus dem Abda-Haushalt finanziert, dürfte das angesichts eines Finanzbedarfs von mehreren Millionen Euro kein Selbstläufer werden. Er will sich das Geld deshalb von den Landesverbänden holen. Allein vom AVWL sollen deshalb bis 2024 rund 1,8 Millionen Euro kommen, 600.000 pro Jahr. Wie viel genau es sein wird, kann aber offensichtlich auch der DAV noch nicht sagen. „Die tatsächlichen Kosten werden dabei auch vom Finanzierungsmodell der Gesellschaft abhängig sein, das derzeit noch nicht abschließend definiert ist“, heißt es in einem internen Schreiben des AVWL, das APOTHEKE ADHOC vorliegt. „Wegen der Höhe dieses Betrages und dem wie mit jedem EDV-Projekt verbundenen Risiko, dass sich eine solche Entwicklung am Markt nicht durchsetzen kann, soll die Mitgliederversammlung über die Beteiligung des AVWL entscheiden.“

Nicht zuletzt deshalb sei es dem AVWL-Vorstand wichtig, die Mitgliederversammlung trotz der vorab schwer einzuschätzenden Pandemielage als Präsenzveranstaltung in Münster durchzuführen. „Da nicht abzusehen ist, ob im Herbst erneut Verschärfungen der Corona-Schutzmaßnahmen erforderlich werden, ist die ordentliche Mitgliederversammlung in den September 2021 vorgezogen worden.“

Es dürften also viele Fragen zu klären sein. Welche das exakt sind und auf welcher genauen Grundlage die Entscheidung getroffen werden muss, dürften die AVWL-Delegierten wohl erst kurz vor dem 8. September erfahren. Denn weitere Informationen zum Business-und Finanzplan sowie zu Personalbedarf und Betriebsstätte will der DAV den Landesverbänden erst später geben, sie seien zum Zeitpunkt der Ausstellung der Einladung am 6. August auch dem AVWL noch nicht bekannt gewesen. „Wir gehen davon aus, dass wir bis zum 30.08.2021 entsprechende Informationen erhalten, welche wir im Mitgliederbereich unserer Homepage hinterlegen werden.“ Diese wiederum seien dann im „Chef-Bereich“ zu finden.

Nicht nur bei Finanzierung und Aufbau, sondern auch bei der Aufgabenbeschreibung der neuen Gesellschaft ist die Informationslage noch nebulös. Zweck der Gesellschaft soll die Entwicklung und der Betrieb digitaler Anwendungen im Gesundheitswesen sein, wozu auch die Entwicklung und Veröffentlichung von Daten-Schnittstellen zur Beschreibung von IT-Dienstleistungen zählen. Diese Angebote wiederum wolle der DAV nicht nur Apotheken und deren Verbänden zur Nutzung bereitstellen, sondern auch Patienten und Kunden sowie anderen Institutionen und Unternehmen im Gesundheitswesen. „Dieser Zweck soll insbesondere durch die Entwicklung, den Aufbau und den Betrieb von cloudbasierten Dienstleistungsangeboten für Apotheken und deren Verbände sowie in deren Auftrag durch die Bereitstellung von Applikationen und Kommunikationsplattformen für Patienten verwirklicht werden.“

Dass die Landesdelegierten Klärungsbedarf haben werden, ist deshalb bereits absehbar. Nicht zuletzt dürfte die Frage im Raum stehen, warum es überhaupt eine neue Digitalgesellschaft braucht; schließlich ist die Abda ist in dem Bereich mit ihrer wirtschaftenden Tochter Avoxa bereits breit aufgestellt – nicht zuletzt mit deren Unternehmensbereichen Abdata und ihrer hundertprozentigen Tochtergesellschaft NGDA, die sich bereits selbst als „Motor für die Digitalisierung und Vernetzung“ der Apotheker und ihrer Geschäftspartner bezeichnet. Es wird bei der Mitgliederversammlung in vier Wochen also absehbar Klärungsbedarf geben. Das sieht auch der AVWL so und kündigt deshalb schon einmal an, dass er einen DAV-Vertreter „zur Diskussion vor Ort“ einladen werde.