Roll-out in Westfalen-Lippe

E-Rezept: Der Startschuss verpufft Alexander Müller, 02.09.2022 12:02 Uhr

Durchschnittlich eingelöste E-Rezepte laut TI-Dashboard der Gematik. Grafik: Solvena
Berlin - 

Gestern war also mal wieder der Startschuss für das E-Rezept. In Westfalen-Lippe beginnt der Roll-out, rund 250 Praxen sollen jetzt verstärkt digital verordnen. Der Effekt ist noch überschaubar: Laut dem TI-Dashboard der Gematik wurden gestern 4116 E-Rezepte eingelöst – etwas weniger als am Mittwoch (4150).

Zwar gibt das Gematik-Dashboard keinen Aufschluss über die tatsächlich gestern ausgestellten E-Rezepte, da es immer einen gewissen zeitlichen Verzug zwischen Verordnung und Bezug der Medikamente gibt. Doch selbst wenn nur ein Teil der Versicherten ihr Rezept gestern sofort eingelöst hat, hätte es eigentlich einen Ausschlag in der Statistik geben müssen. So bleibt die Vermutung, dass es gestern in Westfalen-Lippe noch keinen „Big Bang“ gab.

Ein steiler Anstieg war vielleicht auch nicht zu erwarten. Denn auch vor dem 1. September war es allen Praxen bundesweit erlaubt, E-Rezept auszustellen – und es ist auch in Westfalen-Lippe seit dem Stichtag nicht verpflichtend. An der Rechtslage hat sich also nichts geändert, an der Motivation vielleicht nicht allzu viel.

Nach den ursprünglichen Plänen des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) sollte das E-Rezept zum Jahreswechsel bundesweit verpflichtend eingeführt werden. Das Dashboard weist für den 1. Januar gerade einmal 158 eingelöste E-Rezepte aus. Insofern hat die neue Regierung Ende 2021 offenkundig die richtige Entscheidung getroffen, den Start etwas nach hinten zu verschieben.

Anstieg stagniert

Seit Jahresbeginn stieg die Zahl zunächst zögerlich an: Nach Berechnungen von Solvena (Insight Health) wurden im ersten Quartal durchschnittlich bundesweit 72 E-Rezepte pro Tag ausgestellt. Im zweiten Quartal kletterte diese Zahl immerhin auf 411 Verordnungen pro Tag. Anderer Vergleich: Ende März wies das Dashboard 6636 E-Rezepte insgesamt aus, Ende Juli 44.032. Die als Kontrollpunkt definierte Grenze von 30.000 E-Rezepten wurde am 11. Juni überschritten.

Im dritten Quartal steigt der Mittelwert zwar auf bislang 2352 E-Rezepte pro Tag, doch zuletzt ist wenig Dynamik in der Kurve. In den ersten beiden Augustwochen lag der Wert unter 2300, um nach einem Ausreißer Mitte des Monats (2773) wieder auf 2200 abzufallen. In der aktuellen Woche ist mit 2581 E-Rezepten pro Tag auch noch kein neuer Peak erreicht.

Test nur in Westfalen-Lippe

Da die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) aus dem Roll-out ausgestiegen ist und in Westfalen-Lippe ab 1. Oktober von 250 auf 500 aktive Praxen aufgestockt werden soll, ist die Branche von einem Test unter Volllast noch sehr weit entfernt. Die Ursachen sind vielfältig: Die Gematik-App ist weitgehend nicht verfügbar, auf der anderen Seite sehen viele Praxen keinen Sinn in einem ausgedruckten Token. Teilweise stehen die Ärzt:innen dem E-Rezept nach anderen Erfahrungen im Bereich der Digitalisierung ihres Praxisalltags auch grundsätzlich skeptisch gegenüber.

E-Mail, SMS und eGK

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will deshalb schnell eine datenschutzkonforme Übertragung per E-Mail oder SMS ermöglichen. Die Gematik plant außerdem noch in diesem Jahr das eGK-Verfahren einzuführen, bei dem Versicherte mit ihrer normalen Versichertenkarte die Apotheke berechtigen können, das E-Rezept vom Fachdienst abzurufen. Das Dashboard der Gematik wird Aufschluss geben, ob und wann diese Maßnahmen greifen.