Interessenkonflikt?

RKI: Abteilungsleiter an Test-Firma beteiligt Lothar Klein, 30.11.2020 12:29 Uhr

Unter Druck: Darf das RKI einen Abteilungsleiter gewähren lassen? Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch als Finanzstaatssekretär im Bundesfinanzministerium arbeitete, schlug seine Beteiligung am Steuersoftwareanbieter Taxbutler wegen möglicher Interessenkonflikte mediale Wellen. Spahn trennte sich daraufhin von seinen Anteilen. Jetzt berichtet das Handelsblatt über einen vergleichbaren Fall beim Robert-Koch-Institut (RKI). Danach ist ein Abteilungsleiter seit langen Jahren Teilhaber einer Berliner Firma, die PCR-Coronatests herstellt. Ist das erlaubt?

„Wir arbeiten eigenverantwortlich, unabhängig und transparent“, heißt es auf der Website der Behörde, die an vorderster Front in der Corona-Bekämpfung stehe, schreibt das Handelsblatt. Täglich meldet das RKI, das dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) untersteht, aktuelle Zahlen zu Infizierten und Verstorbenen in Deutschland. Mehrfach schon trat Präsident Professor Dr. Lothar Wieler bei Pressekonferenzen neben Spahn auf. Auch wenn es um Fragen zu Corona-Tests gehe, sei das RKI ein wichtiger Akteur im Pandemie-Kampf. So entwickelt die Behörde Empfehlungen, auf deren Basis das BMG seine nationale Teststrategie anpasst. Man lege großen Wert auf die „Regeln guter wissenschaftlicher Praxis“, heißt es auf der Website zum Leitbild der Behörde. Das Institut versichert, dass Interessenkonflikte „als solche kenntlich gemacht“ würden.

Doch gerade in diesem Punkt gerät das RKI laut Handelsblatt nun in Erklärungsnot. Dem Bericht zufolge beschäftigt die Behörde einen Abteilungsleiter, dessen Mitarbeiter für die Unterstützung von Laboren zuständig sind – und der gleichzeitig an einer Firma beteiligt ist, die mit Corona-Tests Geschäfte macht. Es gehe es um die Abteilung ZIG 4, deren Auftrag der „Public Health Laboratory Support“ sei, also die Unterstützung der öffentlichen Gesundheit. Der Leiter der Abteilung ist laut Handelsblatt zugleich zu 30 Prozent an dem Berliner Biotechunternehmen „Genexpress Gesellschaft für Proteindesign“ beteiligt. Diese Verbindung habe der Berliner Senat dem ehemaligen FDP- und jetzt parteilosen Abgeordneten Marcel Luthe auf eine Anfrage bestätigt.

Genexpress arbeitet laut eigenen Angaben „eng mit der Firma Tib Molbiol im gleichen Hause zusammen“ und entwickelt „Standards für PCR und Real-Time PCR“, berichtet das Handlesblatt weiter. Tib Molbiol produziere und verkaufe entsprechende Test-Kits. RKI sei Stammkunde bei Genexpress und Tib Molbiol. „Die Doppelrolle des Abteilungsleiters dürfte Wasser auf die Mühlen der RKI-Kritiker sein. Schließlich legt das Institut laut Eigenwerbung viel Wert darauf, schon den Anschein der Abhängigkeit zu vermeiden“, schreibt das Handelsblatt. So preise sich das RKI als „unabhängiger, verlässlicher, leistungsfähiger Akteur im Dienst der Verbesserung der Gesundheit in Deutschland und international“.

Wieler wirke in dieser Angelegenheit jedoch alles andere als verlässlich, so das Handelsblatt weiter. Bei einem Pressebriefing am 19. November auf die Personalie angesprochen, habe er betont, dass er schon von dem Vorwurf gehört habe. „Aber tatsächlich habe ich das nicht weiter verfolgt, das verfolgt unsere Rechtsabteilung, ich bin noch nicht sprachfähig", zitiert das Handelsblatt Wieler. Eine solche Verbindung von Berufs- und Privatinteressen gehe natürlich nicht. „Wir haben ganz klare Compliance-Regeln“, betonte der RKI-Chef. Das sei eine der Stärken seines Instituts. Ein solcher Interessenkonflikt sei nicht akzeptabel. Eine Woche später habe das RKI dem Handelsblatt auf Anfrage mitgeteilt, dass der Abteilungsleiter die Institutsleitung schon 2008 darüber informiert habe, dass er Gesellschafter bei Genexpress sei. Diese habe ihm daraufhin Anweisungen „zur Vermeidung von Interessenkollisionen“ erteilt: So dürfe er nicht bei Bestellungen mitwirken, die das RKI bei dem Berliner Biotechunternehmen tätige. Der Abteilungsleiter selbst wollte sich laut Handelsblatt darüber hinaus nicht äußern.

Das RKI zähle eigenen Angaben zufolge schon „seit mehr als 20 Jahren“ zu den Kunden von Genexpress und Tib Molbiol. Bei Genexpress habe der Bestellwert in den vergangenen fünf Jahren im Durchschnitt bei 5700 Euro gelegen, bei Tib Molbiol bei 26.500 Euro. Ausgenommen sei dabei das Jahr 2020, „wo wir mittlerweile ein Bestellvolumen von rund 234.000 Euro netto erreicht haben“. Das Institut teilte dem Handelsblatt zudem mit, dass es dem Abteilungsleiter untersagt sei, als Projektleiter tätig zu werden, wenn es zu einer „gleichzeitigen Beteiligung des RKI und der Genexpress“ an Konsortien wie Verbundvorhaben komme, die durch das Bundesforschungsministerium (BMBF) gefördert werden. Ein solches Projekt hatte es laut Handelsblatt zwischen 2008 und 2011 gegeben. Das Ziel: eine „Diagnostikplattform zur Risikobewertung von bioterroristisch verdächtigen Proben“ zu entwickeln. Das RKI habe rund 4,7 Millionen Euro an Fördergeldern erhalten, Genexpress etwa 200.000 Euro. Als Koordinator des Projekts tauche auf der RKI-Website der Abteilungsleiter auf.

Angefragt hat das Handelsblatt zu diesem Sachverhalt auch das BMG. Das gehe vorsichtig auf Abstand. Dort heißt es: Die Personaleinheiten in den nachgeordneten Behörden genehmigten Nebentätigkeiten ihrer Mitarbeiter „selbstständig und verhängen entsprechende Auflagen“.