EMA hat weitere Fragen

Nervenkrimi um Valneva-Impfstoff Patrick Hollstein, 25.04.2022 11:19 Uhr aktualisiert am 25.04.2022 16:32 Uhr

Die Zulassung des Corona-Impfstoffes von Valneva verzögert sich, weil die EMA im laufenden Zulassungsverfahren immer neue Fragen stellt. Foto: Mundissima/Shutterstock.com
Berlin - 

Mit dem Impfstoff von Valneva steht eine echte Alternative in den Startlöchern. Doch es gibt immer wieder Verschiebungen, weil die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) im laufenden Zulassungsverfahren immer neue Fragen stellt. Es geht um Subgruppenanalysen und offene Produktionsfragen.

Eigentlich sollte der Impfstoff von Valneva schon im ersten Quartal zugelassen werden. Im Dezember hatte der österreichisch-französische Hersteller den Zulassungsantrag gestellt, die EMA hatte ein rollierendes Prüfungsverfahren gestartet. Anfang Januar bestätigte das Unternehmen noch einmal den Zeitplan.

Ende Februar gab der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) eine erste Bewertung ab. Valneva erhielt eine „abschließende Liste von Fragen“ und gab sich zuversichtlich, diese innerhalb weniger Tage beantworten zu können. „Unter der Voraussetzung, dass der CHMP die Antworten von Valneva akzeptiert und vorbehaltlich des Zeitplans der EMA rechnet Valneva mit einer positiven CHMP-Empfehlung für die bedingte Zulassung von VLA2001 für die Grundimmunisierung von Erwachsenen im Alter von 18 bis 55 Jahren am Ende des ersten Quartals 2022“, so das Unternehmen damals.

Doch es kam anders. Anfang März erhielt Valneva die Zulassung in Bahrain; das Königreich hatte zuvor einen Vertrag über eine Million Dosen abgeschlossen. Mitte April erteilte die britische Gesundheitsbehörde MHRA eine bedingte Marktzulassung: VLA2001 erfüllt demnach die erforderlichen Sicherheits-, Qualitäts- und Wirksamkeitsstandards.

Die Zulassung in Großbritannien hat allerdings keine unmittelbare Auswirkung, da die Regierung im September vollkommen überstürzt und Angabe von konkreten Gründen eine Bestellung über bis zu 190 Millionen Dosen storniert hatte, was sie immerhin 250 Millionen Euro kostete. Seitdem wird mit der schottischen Regierung über die Lieferung von bis zu 25.000 Dosen für den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) und dessen Beschäftigte verhandelt – immerhin produziert Valneva im schottischen Livingston und hat dafür eine Millionenförderung erhalten.

Daten und Begründung gefordert

Doch auch ohne Abnahmegarantie galt die erste Zulassung in einem europäischen Land als Blaupause für die EMA-Entscheidung. Nach den Sitzungen der vergangenen Woche kam jedoch keine Meldung über eine Entscheidung zugunsten des Unternehmens. Stattdessen teilte Valneva am frühen Morgen mit, dass es nach dem Treffen in der vergangenen Woche eine weitere Liste von Fragen („LoQ“) gegeben habe. Gefordert wurden nicht nur zusätzlichen Daten, sondern auch „weitere Begründungen für eine bedingte Marktzulassung“.

Das klingt ziemlich ernüchternd, auf Nachfrage stellt eine Sprecherin des Unternehmens klar: „Für einige Analysen werden wir gebeten, sowohl Daten zur Bindung als auch zu neutralisierenden Antikörpern vorzulegen. Darüber hinaus wurden einige zusätzliche Subanalysen für einige klinische Daten angefordert. Es gibt auch einen offenen CMC-Punkt (Chemistry, Manufacturing and Control) im Zusammenhang mit einer Freigabe-Spezifikation, über den eine Einigung erzielt werden muss.“

Man werde diese neue Liste von Fragen in den kommenden Tagen beantworten, und wenn diese Antworten akzeptiert werden, könne man noch in diesem Quartal mit einer bedingten Marktzulassung rechnen. „Valneva ist weiterhin fest entschlossen, gemeinsam mit der EMA auf eine Produktzulassung in Europa hinzuarbeiten.“

Die EMA wollte sich zum laufenden Verfahren nicht weiter äußern. „Die fortlaufende Überprüfung wird fortgesetzt, bis ausreichende Beweise vorliegen, damit das Unternehmen einen formellen Zulassungsantrag stellen kann“, so ein Sprecher. Der Fortschritt hänge dabei von den verfügbaren Daten ab und der nötigen Zeit, um auf Anfragen des CHMP zu reagieren. „Die EMA wird besser in der Lage sein, mögliche Fristen für eine Zulassung dieses Impfstoffs zu kommentieren, sobald ein Zulassungsantrag bei der Agentur eingereicht wurde, was ein besseres Verständnis der Robustheit der verfügbaren Daten ermöglicht.“

Millionen Dosen für EU

Die Zeit drängt: Bis zu 60 Millionen Dosen kann Valneva in diesem und im kommenden Jahr an die EU liefern; die Produktion läuft bereits auf Hochtouren. Für Skeptiker der mRNA-Technologie ist die Vakzine eine echte Alternative: VLA2001 ist ein inaktivierter, adjuvantierter Ganzvirus-Impfstoff. Das heißt, dass der französische Hersteller das gesamte Virus zur Herstellung des Impfstoffes nutzt. Die enthaltenen Viren sind attenuiert („abgetötet“) und nicht mehr vermehrungsfähig – damit ist das Vakzin ein klassischer Totimpfstoff. Zur Wirkverstärkung ist das Adjuvans CpG 1018 (von Dynavax) und Aluminium beigefügt.

CEO Thomas Lingelbach sagte: „Wir sind enttäuscht, dass die EMA unsere Anträge bisher nicht als ausreichend angesehen hat. Wir sind nach wie vor fest entschlossen, gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden auf eine Produktzulassung hinzuarbeiten. VLA2001 ist der einzige inaktivierte Covid-19-Impfstoffkandidat in Europa, und wir erhalten weiterhin jeden Tag Nachrichten von Menschen, die sich einen traditionelleren Impfstoffansatz wünschen.“

In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie konnte Valneva nachweisen, dass zwei Dosen von VLA2001 im Vergleich zum Impfstoff von AstraZeneca höhere neutralisierende Antikörperspiegel induzieren und ein deutlich besseres Verträglichkeitsprofil zeigen.