Charakteristisches Frühsymptom

Covid-19: Was tun, wenn der Geruchssinn plötzlich fehlt? Cynthia Möthrath, 20.05.2021 08:58 Uhr

Riechstörungen gelten als Frühwarnsymptom für Covid-19: Experten raten dazu, die Beschwerden ernst zu nehmen. Foto: Nenad Cavoski/shutterstock.com
Berlin - 

Die Pandemie hält seit über einem Jahr die Welt in Atem. Schnell kristallisierten sich Geruchs- und Geschmacksstörungen als ein charakteristisches und frühzeitiges Symptom von Covid-19 heraus. Mittlerweile gibt es zahlreiche Daten, die Aufschluss über Pathogenese, Dauer und Behandlung der Beschwerden zulassen.

Zu Beginn der Pandemie wurde ihnen noch keine besondere Bedeutung zugeschrieben – „heute gelten bei freier Nase plötzlich auftretende Riech- und Schmeckstörungen als eines der frühesten und spezifischsten Symptome einer Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus“, erläutert die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC).

„Wenn die Geruchswahrnehmung plötzlich nachlässt oder ganz ausfällt, sollte das daher als Warnsignal ernst genommen werden.“ Denn im Vergleich zu einem normalen Schnupfen ist die Nase der Betroffenen meist nicht verstopft, sondern frei. Die Schleimhäute sind nicht angeschwollen und auch eine vermehrte Sekretbildung bleibt aus. Dennoch klagen Patient:innen über einen fehlenden Geruchssinn, oft wird auch nichts mehr geschmeckt.

Warnsymptom: Freie Nase, kein Geruch

„Während der Pandemie sollte eine plötzliche und nicht von Schnupfensymptomen begleitete Einschränkung des Riechvermögens daher immer als Hinweis auf eine mögliche Sars-CoV-2- Infektion gewertet werden“, erklärt Professor Dr. Thomas Hummel, Vorstandsmitglied Arbeitsgemeinschaft Olfaktologie und Gustologie bei der DGHNO-KHC und Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Riechen und Schmecken am Universitätsklinikum Dresden.

Denn die verfügbaren Daten zeigen, dass das Symptom besonders häufig vorkommt: In verschiedenen Studien seien bis zu 80 Prozent der Covid-Patient:innen von Riech- und Schmeckstörungen betroffen gewesen. Diese chemosensorischen Symptome hätten sich häufig bereits am dritten Tag nach der Infektion gezeigt und seien somit oft das erste – in manchen Fällen sogar das einzige Covid-Symptom – unabhängig von der Schwere der Erkrankung. „Dieses Frühwarnsystem sollte man sich zunutze machen“, so Hummel. Der Experte empfiehlt Betroffenen, sich umgehend in Quarantäne zu begeben und einen Test vornehmen zu lassen.

Riechstörungen wurden in der Vergangenheit bereits bei anderen Erkrankungen beobachtet wie beispielsweise der Influenza, aber auch als frühes Symptom einer neuro-degenerativen Erkrankung wie Parkinson oder der Alzheimer. Bei letzteren ist vor allem das Riechzentrum im Gehirn betroffen, der Riechverlust setzt daher schleichend ein. Virale Infekte hingegen schädigen oft die Nervenzellen der Riechschleimhaut. Wie genau Sars-CoV-2 das Riechvermögen einschränkt, ist nach wie vor nicht abschließend geklärt.

Dass es bei den meisten Patiente:innen innerhalb weniger Wochen zu einer Wiederherstellung des Geruchssinnes komme, spreche gegen eine echte Nervenschädigung, so die Expert:innen. Bislang ist jedoch unklar, ob der Geruchssinn in allen Fällen uneingeschränkt zurückkehrt. Auch der Einfluss auf den Geschmackssinn ist unsicher: „Die meisten Menschen können die durch eine Riechstörung verursachte Veränderung des Feingeschmacks nicht gut von einer Störung des Schmecksinns, also der gustatorischen Sensitivität, unterscheiden“, erklärt Hummel. Hierfür seien etwas aufwendigere olfaktorische und gustatorische Tests notwendig.

Oft wird der Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn als etwas sehr Subjektives wahrgenommen. Bei Unsicherheit kann jedoch bereits zu Hause ein kleiner Test durchgeführt werden: In vier identischen Döschen werden gutunterscheidbare Geruchsträger wie Minze, Gewürznelken, Zitrone oder duftende Kosmetikprodukte platziert – diese werden von Menschen ohne Geruchseinschränkung in der Regel wahrgenommen. Bei einer Riechstörung sind sie jedoch nur schwer voneinander zu unterscheiden.

Riechtraining für die Nase

Die Methode kann auch angewendet werden, wenn die Riechstörung nach der Erkrankung weiter anhält. Die Döschen dienen dann als Riechtraining: Morgens und abends soll je etwa eine halbe Minute über Wochen und Monate regelmäßig an vier verschiedenen Düften gerochen werden. Wichtig ist, dass zu Beginn starke Düfte verwendet werden. Nach zwei bis drei Monaten sollen die Düfte gewechselt werden. Nach und nach sollen dann schwieriger zu ermittelnde, dezentere Düfte ergänzt werden, um den Riechsinn weiter zu trainieren. „Bei Riechstörungen anderer Ursache hat sich gezeigt, dass ein solches Training der Nase wieder auf die Sprünge helfen kann – und zugleich dem Nachlassen des Geruchssinns im Alter entgegenwirkt.“

Zwar regeneriere sich der Geruchssinn in den meisten Fällen von selbst wieder, durch derartige Übungen könne der Prozess jedoch beschleunigt werden. Kommt es zu länger anhaltenden Geruchs- und Geschmacksstörungen, sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Viele HNO-Kliniken bieten derartige Riechtrainings in sogenannten „Riechsprechstunden“ an. Dabei kann dem Betroffenen die subjektive Empfindung bestätigt und die Diagnose Riechstörung eindeutig gestellt werden.