AOK analysiert

Achterbahn-Effekt bei Krankmeldungen dpa/ APOTHEKE ADHOC, 25.06.2020 09:16 Uhr

Viele Arbeitnehmer hätten sich zu Beginn der Pandemie offenbar an die Empfehlung gehalten, bei Erkältungssymptomen zu Hause zu bleiben, analysiert die AOK Nordost. Foto: shutterstock.com/Monkey Business Images
Berlin - 

Die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie haben nach einer Analyse der Krankenkasse AOK Nordost in diesem Jahr einen Achterbahn-Effekt auf Krankmeldungen gehabt. Schnellten die Zahlen für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern von Mitte März bis Mitte April weit über den Durchschnitt in die Höhe, fielen sie im Mai weit unter die üblichen Mittelwerte. Soziale Distanz habe damit nicht allein die Ausbreitung des Coronavirus stark eingedämmt, sondern auch andere Infektionskrankheiten in Schach gehalten, folgert die Kasse. Bis Ende Mai war es Versicherten mögliche eine begrenzte Krankschreibung über telefonischem Wege zu erhalten.

Nach ihren Daten waren im Mai jeweils um die 40 Prozent weniger Arbeitnehmer wegen Erkältungskrankheiten, Magen-Darm-Infektionen und akuten Lungenentzündungen krankgeschrieben als in den Vorjahren. Bei den Diagnosen akuter Bronchitis habe das Minus sogar bei rund 50 Prozent gelegen. Die Grippe-Saison endete auch nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts früher als gewöhnlich. Die abrupte Abnahme von Atemwegserkrankungen ab der zehnten Kalenderwoche sei insbesondere bei Erwachsenen über längere Zeit „extrem ungewöhnlich“, hieß es bereits Mitte April im Bulletin des Robert-Koch-Institutes (RKI).

Viele Arbeitnehmer hätten sich zu Beginn der Pandemie offenbar an die Empfehlung gehalten, bei Erkältungssymptomen zu Hause zu bleiben, analysiert die AOK Nordost. Ursachen für weniger Infektionen insgesamt sieht die Kasse darüber hinaus im Wechsel ins Homeoffice und in Kurzarbeit. Wegen der Kita- und Schulschließungen hätten sich vermutlich auch weniger Eltern über ihre Kinder angesteckt - und auch weniger Kinder untereinander.

Für ihre Analyse hat die Kasse ihre aktuellen Zahlen jeweils wochenweise mit dem Mittelwert der Vorjahreszeiträume von 2016 bis 2019 verglichen. Die Rechnung basiert auf einer Auswertung der anonymisierten Daten von Versicherten, die Krankengeld beziehen. Das sind in allen drei Ländern zusammen mehrere hunderttausend Menschen. Die AOK Nordost ist nach eigenen Angaben in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit insgesamt rund 1,75 Millionen Versicherten die größte regionale Krankenkasse.

AU-Schein am Telefon

Um Praxen und Patienten zu entlasten, konnten sich Menschen mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege ab Mitte März nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt bis zu sieben Tage arbeitsunfähig schreiben lassen. Darauf haben sich Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband verständigt. Die Regelung galt für Patienten, die an leichten Erkrankungen der oberen Atemwege erkrankt sind und keine schwere Symptomatik vorweisen oder Kriterien des Robert-Koch-Instituts (RKI) für einen Verdacht auf eine Infektion mit Covid-19 erfüllen. Diese Vereinbarung galt zunächst für vier Wochen.

Nach Ablauf dieser Zeit sollte die befristete Ausnahmereglung zur telefonischen Anamnese zunächst nicht verlängert. „Die befristete Ausnahmereglung, dass eine Arbeitsunfähigkeit auch nach einer telefonischen Befundaufnahme von der Ärztin oder dem Arzt bescheinigt werden kann, diente angesichts der dynamischen und nicht abschätzbaren Entwicklungen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie dazu, Vertragsarztpraxen ad hoc zu entlasten und die Gefahr der Ausbreitung des Virus zu verringern“, so der G-BA-Vorsitzende Professor Josef Hecken Mitte April. Dann kam es doch noch zu einer Fristverlängerung bis Ende Mai.

Die befristete Ausnahmeregelung war in den vergangenen Monaten schlussendlich mehrmals verlängert worden, um Ansteckungsmöglichkeiten zu verringern und Arztpraxen zu entlasten. Der Deutsche Hausärzteverband hatte gefordert, die Sonderregelung mindestens bis Ende Juni zu verlängern. Die Sonderregelung für telefonische Krankschreibungen wegen der Corona-Krise ist zum 31. Mai ausgelaufen. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen hatte das bereits Mitte Mai beschlossen. Das Ende der Sonderregelung stehe im Einklang mit der aktuellen Einschätzung der Gefährdungslage, die zu Lockerungen in vielen Bereichen geführt habe, hieß es.