Zytostatika

BGH: Freispruch wegen Irrtum APOTHEKE ADHOC, 16.12.2014 13:56 Uhr

Berlin - 

Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Apotheker verurteilt, weil sie Zytostatika aus Arzneimitteln hergestellt hatten, die in Deutschland nicht zugelassen waren. Der Fünfte Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat nun drei Apotheker freigesprochen. Die Richter gingen davon aus, dass sich die Apotheker in der Einschätzung der Rechtslage schlicht geirrt hätten. Damit entschieden die Richter anders als der Erste Strafsenat vor zwei Jahren.

Der Fünfte Strafsenat beschäftigte sich im November mit zwei Fällen: Ein Apotheker musste sich zunächst vor dem Landgericht Braunschweig verteidigen. Ihm wurde vorgeworfen, einen Großteil seines Umsatzes mit Zytostatika gemacht und zu deren Herstellung Arzneimittel verwendet zu haben, die teilweise nicht zugelassen oder illegal importiert worden waren. Durch die Abrechnung von rund 2500 Rezepten soll er zu Unrecht Vergütungen in Höhe von 1,6 Millionen Euro erhalten haben.

Das Landgericht Kiel befasste sich parallel mit zwei Krankenhausapothekern. Sie sollen in 161 Fällen gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen haben, indem sie für Bosnien und Ägypten vorgesehene Arzneimittel verwendeten, die in Deutschland nicht zugelassen waren. Der Schaden wurde auf 75.000 Euro beziffert. Einer der betroffenen Apotheker wurde von Rechtsanwalt Axel Höper aus Kiel vertreten.

Höper zufolge waren die beiden Apotheker bereits vom Landgericht Kiel freigesprochen worden: „Beiden wurde ein sogenannter Tatbestandsirrtum zu Gute gehalten“, erklärt der Rechtsanwalt. Da sie nicht davon ausgegangen waren, gegen geltendes Recht zu verstoßen, fehlte es am Vorsatz.

Das bestätigte nun der BGH in beiden Verfahren. Laut Höper hat der Fünfte Strafsenat dabei ausdrücklich offen gelassen, ob es sich bei den verwendeten Arzneimitteln um Rezeptur- oder Fertigarzneimittel handele. „Maßgeblich sei vielmehr, dass die beteiligten Krankenkassen selbst davon ausgehen, dass es sich bei der Herstellung von Zytostatika um eine Rezepturherstellung handele“, fasst der Rechtsanwalt die Begründung der Richter zusammen.

Bei Rezepturarzneimitteln komme es aber nicht darauf an, ob die verwendeten Mittel in Deutschland zugelassen seien. Der Strafsenat habe klargestellt, dass ein Betrug daher nicht gegeben sei – es scheitere schon an der Täuschungsabsicht. Wegen des Irrtums der Apotheker liege auch kein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vor.

Anders als vor zwei Jahren ging es den Richtern des Fünften Strafsenats nicht um die Frage, ob die Zytostatikaherstellung Rezeptur oder Rekonstitution ist. Der Erste Strafsenat hatte 2012 entschieden, dass die Verdünnung von Zytostatika mit Kochsalzlösung keine Rezepturanfertigung sei. Daher dürften nur entsprechend zugelassene Fertigarzneimittel verwendet und abgerechnet werden.

Bis vor einigen Jahren hatten verschiedene Zyto-Apotheker preiswertere Produkte aus dem Ausland für die Herstellung von Parenteralia verwendet. Viele Apotheken hatten die Arzneimittel bei einem Pharmahändler mit Sitz im dänischen Holmsland bezogen. Als dieser Zwischenhändler misstrauisch wurde und Fälschungen entdeckte, erstattete er selbst Anzeige. Im September 2007 hatte die federführende Staatsanwaltschaft Mannheim die Ermittlungen aufgenommen.

Rund 100 Apotheken sollen in die Affäre verwickelt sein. In mehreren Fällen wurden die Ermittlungen gegen Geldstrafen eingestellt, in anderen wurden sie wegen Geringfügigkeit eingestellt. Gegen zahlreiche Apotheker wurde 2010 aber bundesweit von Staatsanwaltschaften Anklage erhoben.

Die Einschätzung des Fünften Strafsenats könnte aus Sicht von Höper „noch einmal Bewegung“ in die Rechtsprechung bringen. Die Entscheidung dürfte sowohl für den vor dem Ersten Strafsenat verhandelten als auch viele andere Fälle Bedeutung haben, so der Rechtsanwalt. Die Urteilsgründe liegen allerdings derzeit noch nicht vor.