Gewebehormone in Kosmetika

Wimpernseren: Hype um Prostaglandinanaloga Hanna Meiertöns, 03.03.2023 15:11 Uhr

Lange und dichte Wimpern sind ein weit verbreitetes Schönheitsideal.
Berlin - 

Der Hype um Wimpernseren ist ungebrochen: In kürzester Zeit ließen sich damit die Wimpern verlängern oder verdichten, berichten begeisterte Influencer:innen. Auch wenn dem tatsächlich so ist, sollten sich die Anwender:innen bewusst sein, dass der Effekt eigentlich eine von mehreren unerwünschten Arzneimittelwirkungen einer sonst verschreibungspflichtigen Wirkstoffgruppe ist.

Lange und dichte Wimpern sind das Schönheitsideal schlechthin. Wer nicht zur künstlichen Wimpernverlängerung greifen oder täglich künstliche Wimpern aufkleben möchte, der wird auch anderweitig fündig: Seit einigen Jahren schon besteht der Hype um einige Wimpernseren, mit denen dieses Schönheitsideal in kürzester Zeit bedient werden kann.

Häufig sind die Wimperseren allerdings mit synthetischen Hormonen versetzt, nämlich Prostaglandinanaloga. Diese werden nach dem Vorbild des menschlichen Gewebehormons Prostaglandin hergestellt. Eigentlich ist diese Wirkstoffgruppe aus der Augenheilkunde bekannt: Die Wirkstoffe Bimatoprost, Latanoprost, Tafluprost und Travoprost werden angewendet bei erhöhtem Augeninnendruck oder Grünem Star.

„Nützliche" Nebenwirkung

Die Verdichtung und Verlängerung der Wimpern wurden dabei als unerwünschte Arzneimittelwirkung festgestellt. Dazu kommt es, weil die Wachstumsphase der Wimpern verlängert wird, sodass sich mehr Wimpern gleichzeitig in der Wachstumsphase befinden. Diese Nebenwirkung wird sich in der Beautywelt unabhängig vom Nutzen-Risiko-Verhältnis zunutze gemacht.

In Wimpernseren sind Prostaglandine – in der Regel – mit diesen INCI-Bezeichnungen deklariert:

  • Methylamido-Dihydro-Noralfaprostal (MDN)
  • Dechloro-Dihydroxy-Difluoro-Ethylcloprostenolamid
  • Isopropyl-Cloprostenate

Die Seren werden mit einem kleinen Pinsel dicht am Wimpernkranz aufgetragen und sollen dort einwirken, dabei kann allerdings auch etwas von dem Serum ins Auge laufen. Auch ist keine genaue Dosierung möglich und die Dosierung nur schwer nachvollziehbar.

Trotz der lediglich lokalen äußerlichen Anwendung bleiben unerwünschte Arzneimittelwirkungen nicht unbedingt aus – diese spielen sich dann vor allem am oder im Augenbereich ab:

  • Brennen, Schmerzen, Kratzen, Jucken und Stechen
  • okulare Hyperämie: rotes Auge durch verstärkte Durchblutung
  • Hyperpigmentation der Iris: Erhöhung des braunen Pigmentanteils der Iris, dauerhafte Veränderung der Augenfarbe
  • Augenringe durch vermehrte Pigmentierung der Haut um das Auge herum

Fehlerhafte Deklarationen

2018 untersuchten Die Sachverständigen für kosmetische Mittel des Chemischen und Veterinär-Untersuchungsamtes Karlsruhe insgesamt 17 Wimpernseren. Insgesamt vier der getesteten Mittel wurden von ihnen als Funktionsarzneimittel eingestuft, die fälschlich als Kosmetikprodukte vermarktet werden. Zudem stellten die Prüfer fest, dass die Wirkstoffe bei fast einem Drittel der Proben nicht oder falsch gekennzeichnet waren. Teilweise enthielten die Proben auch andere Prostaglandine als die, die deklariert waren.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt daher seit einigen Jahren vor dem Einsatz von Prostaglandinen in kosmetischen Mitteln. Die klare Empfehlung lautet, den Verkauf dieser Wimpernseren als kosmetische Mittel zukünftig zu unterbinden.

In der Schwangerschaft und Stillzeit ist die Anwendung prostaglandinhaltiger Wimpernseren kontraindiziert, aufgrund des Risikos falscher oder mangelnder Deklaration sollte im besten Fall generell auf die Anwendung von Wimpernseren verzichtet werden. Kontaktlinsenträger:innen sollten mit dem Einsetzen ihrer Linsen mindestens 15 Minuten Abstand zur Anwendung eines Serums einhalten.