Reduzierter Botendienst wegen Umweltschutz

„Vier Touren am Tag brauchen Apotheken nicht“ Carolin Ciulli, 24.05.2022 07:48 Uhr

Touren und Botendienst gekürzt: Apotheker Michael Aniol will die Abläufe in seiner Apotheke umweltfreundlicher aufstellen. Foto: Herz-Apotheke Wolfenbüttel
Berlin - 

Apotheken reagieren unterschiedlich auf die steigenden Sprit- und Energiepreise. Im Betrieb von Michael Aniol in Wolfenbüttel wurde der Botendienst gekürzt. Gleichzeitig streicht der Inhaber der Herz-Apotheke auch die Großhandels-Touren auf die Hälfte zusammen. „Die Arzneimittel-Logistik ist eine unnötige Verschwendung von Ressourcen“, kritisiert er. Der Kundschaft sei es letztlich egal, ob sie die Produkte am Vormittag oder am Nachmittag erhalte.

Im Schnitt leistet eine Apotheke laut Abda-Zahlen 222 Botendienste pro Monat. Das Angebot nahm pandemiebedingt deutlich zu. Während 2019 etwa jede dritte Apotheke (34,8 Prozent) mehrmals täglich ihre Kund:innen mit Arzneimitteln belieferte, waren es im vergangenen Jahr bereits 42,5 Prozent. Kaum eine Apotheke schickt die Fahrer:innen nicht täglich mit den Bestellungen los. Manche sind angesichts der Spritkosten dazu übergegangen, einen Aufschlag für OTC-Lieferungen und Privatrezepte zu verlangen.

Drei statt fünf Botenfahrten pro Tag

Auch Apotheker Aniol bot bislang seinen Kunden unter der Woche eine tägliche Belieferung an. Damit ist jetzt Schluss. „Ich bin seit 20 Jahren dabei, betriebswirtschaftlich in der Apotheke zu arbeiten.“ Ab sofort liefert er nur noch am Dienstag, Donnerstag und Freitag. „Ob ich dreimal oder fünfmal fahre, ist letztlich nur eine Frage der Organisation der Menschen.“ Vieles habe sich in den vergangenen Jahren „massiv verändert“, teilt er seinen Kund:innen in einem Anschreiben mit. „In der Verantwortung für ‚unsere Erde’ möchten wir mit den noch vorhandenen Ressourcen sparsamer umgehen.“

Als Inhaber einer Apotheke neben einem Edeka und in zentraler Nähe zu Lidl werde der Service eher weniger angefragt – täglich zwischen zehn und zwölf Mal. „Wir haben Glück, denn der Kühlschrank der Kunden ist immer leer.“ Zudem gebe es genug Parkplätze. Dazu kämen immer mehr, die Arzneimittel vorbestellten. „Das wird stetig mehr, weil wir auch auf unserer Visitenkarte den QR-Code für die Funktion verteilen.“ Auch mit Blick auf das E-Rezept bewirbt er den Service. „Die Vorbestellfunktion macht es möglich, die Kundenwünsche ohne weitere Wege zu erfüllen.“ Denn etwa 80 Prozent holten die Ware selbst ab.

Jeder kann seinen Teil dazu beitragen

Für das Thema Umweltschutz und die Kürzung des Botendienstes könne in der Apotheke „Verständnis erweckt“ werden, ist er sich sicher. Nach der Ankündigung, dass sein Hauptlieferant Noweda die Konditionen angesichts der explodierenden Energiekosten anheben würde, strich Aniol die vier Touren pro Tag. Die Essener Genossenschaft sei ihm daraufhin etwas entgegen gekommen: „Sie haben daraufhin nicht so stark gekürzt und wollten eigentlich mehr kürzen.“

Druck auf Großhandel erhöhen

Dennoch kritisiert er den Pharmagroßhandel: „Sie bewegen sich nicht beim Thema CO2-Ausstoß.“ Der Großhandel müsse seine Strukturen umstellen und die Apotheken weniger oft beliefern. Doch angesichts der Auslastung der Niederlassungen erwartet der Inhaber keinen Wandel. „Wir Apotheken sollten Druck machen. Ich muss nicht von einer Genossenschaft beliefert werden, sondern von demjenigen, der mich am besten und kostengünstigsten anfährt.“ Laut Phagro-Zahlen wird eine Apotheke im Schnitt dreimal täglich von ihrem Großhändler beliefert. Einzelne Großhändler arbeiten unter anderem mit der Installation von Photovoltaikanlagen oder dem Einsatz von E-Autos daran, klimafreundlicher zu werden.

Zwei Touren am Tag müssen es laut Aniol aber unter den momentanen Bedingungen sein. „Bei einer einzigen täglichen Belieferung müsste man das komplette Denken der Kunden und der Praxen umerziehen.“ Seit Jahrzehnten sei man gewohnt, dass die Apotheken in zwei bis drei Stunden liefern könnten. Nur langsam könne die Erwartungshaltung angepasst werden. Auch die Krankenkassen und die Politik sieht er aus Umweltschutz-Aspekten in der Pflicht. „Das System der Rabattverträge müsste über eine fest zu erfüllende Quote anders gestaltet werden.“ Apotheken hätten dadurch mehr Spielraum und die CO2-Emissionen könnten ebenfalls gesenkt werden.

Umweltschutz liegt ihm am Herzen. „Das Thema hat viele Facetten“, sagt er. Mülltrennung, die Empfehlungen von Produkten, die hierzulande hergestellt werden oder erneuerbare Energien. In der Kundeninformation appelliert er: „Bitte helfen Sie uns, gemeinsam für den Globus zu handeln.“