Tarifvertrag

Notdienst: Weniger als Mindestlohn Franziska Gerhardt, 04.04.2014 08:15 Uhr

Berlin - 

In einer Kleinstadt zu arbeiten hat manchmal Vorteile. „In unserem Notdienst in der Filiale in Delitzsch ist nachts nicht viel los. Nach 22 Uhr kommt da in der Regel keiner mehr“, erzählt Apotheker Carsten Schmidt von der McMedi-Apotheke in Leipzig. Das Kontrastprogramm sind Standorte mitten in der Stadt: Andrea Zarmann von der Nordring-Apotheke im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg berichtet: „Die Kollegen habe auch nachts durchgehend zu tun.“ An Schlaf sei nicht zu denken. Weil die Angestellten keinen Einfluss haben, wie oft nachts die Notdienstglocke läutet, wird aktuell über die Vergütung gestritten.

Apothekenmitarbeiter können maximal zur Hälfte aller Notdienstschichten in ihrer Apotheke verpflichtet werden. Die Entlohnung wird oft individuell gehandhabt. Wenn übertariflich gezahlt wird, sind die Nachtschichten mitunter bereits abgegolten – etwa bei einer Schwelle von 15 Prozent über Tarif.

Auch andere Möglichkeiten gibt es: Hilft die PTA im Notdienst mit aus, kann sie zum Beispiel die Anzahl der geleisteten Stunden als Freizeitausgleich bekommen. Die Frage ist auch, welche Aufgaben im Notdienst überhaupt erledigt werden müssen: „nur“ die Kunden bedienen oder auch noch nebenbei das Lager aufräumen.

Das unterschiedliche Arbeitsaufkommen wird im Tarifvertrag nicht berücksichtigt. Derzeit wird die Arbeitszeit von 18.30 bis 22 Uhr voll bezahlt. Der zehnstündige Zeitraum von 22 bis 8 Uhr wird dagegen nur mit 3,5 Arbeitsstunden veranschlagt.

Damit erhalten Approbierte im ersten Berufsjahr 64 Euro für eine Nachtschicht, ab dem elften Berufsjahr 78 Euro. Pharmazie-Ingenieure kommen auf 56 Euro pro Notdienst. Sonn- und Feiertagsdienste werden mit 193 beziehungsweise 234 Euro für die Apotheker und 167 Euro für Pharmazie-Ingenieure vergütet.

Die Apothekengewerkschaft Adexa fordert die volle Bezahlung für die zehn Stunden Nachtarbeit, die derzeit mit 35 Prozent vergütet werden. Tanja Kratt, Leiterin der Tarifkommission, zieht einen Vergleich zum Mindestlohn: „Pharmazie-Ingenieure und Apothekerassistenten erhalten selbst in der höchsten Eingruppierung ab 15 Berufsjahren lediglich 5,60 Euro pro Stunde. Damit beträgt der Abstand zum künftigen Mindestlohn 2,90 Euro pro Stunde.“

Zum Vergleich: Ärzte in kommunalen Krankenhäusern und Unikliniken erhalten laut Adexa für den nächtlichen Bereitschaftsdienst von 21 bis 6 Uhr abhängig von der Inanspruchnahme 60 bis 95 Prozent ihres Stundenlohns.

Der Streit um die Vergütung der Apothekenmitarbeiter im Notdienst ist derzeit festgefahren: Die Adexa hat die Tarifverhandlungen über einen neuen Bundesrahmentarifvertrag (BRTV) Ende März wegen des Streits um die Nachtschichten gleich komplett abgebrochen.

Der Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) weigert sich, in diesem Jahr an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Zurzeit wollen sich die Inhaber gar nicht mehr zu dem Thema äußern, um die Stimmung nicht weiter anzuheizen. Detail

Die Adexa sammelt Unterschriften für eine Vergütung der Nachtschichten als reguläre Arbeitszeit. Die Gewerkschaft vertritt den Standpunkt, es sei unsolidarisch, dass nur Apothekeninhaber die neue Notdienstpauschale – von zuletzt 252,75 Euro – erhalten. Die Angestellten, die ebenfalls Notdienste leisten, sollten laut Adexa auch von der Honorierung profitieren. Denn anders als der Inhaber profitieren diese nicht, wenn nachts an der Klappe viel los ist.