Amtsschimmel

Trotz Corona: Ämter drangsalieren Apotheker Lothar Klein, 23.03.2020 14:56 Uhr

Die Regelung verstoße gegen EU-Recht, erklärten die Richter. Betroffen sei die Niederlassungsfreiheit, wie sie in Deutschland besteht. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

In vielen Apotheken herrscht angesichts der fortschreitenden Corona-Krise Land unter: Lieferengpässe müsse bewältigt, der Kundenansturm reguliert und das Personal vor Infektionen geschützt werden. Als gäbe es nicht schon genug zu tun, flattern in einige Apotheken in diesen Tagen Briefe vom Finanzamt, die eine Steuerprüfung ankündigen, oder von einer Apothekerkammer, die an die Beantragung des Heilberufeausweises erinnert. Und die ABDA-eigene Agentur für Präqualifizierung (AfP) kündigt für Mitte April Überwachungsaudits an. Die betroffenen Apotheker schütteln den Kopf über so viel Amtsschimmel. Jetzt teilte die AfP mit, die Audits für einen Zeitraum von nicht mehr als sechs Monaten zu verschieben.

Apotheker Hubert Giesbert erhielt von der Agentur für Präqualifizierung ein Schreiben mit der Ankündigung eines Überwachungsaudits zum 14. April. Auch er fragt sich, ob das gerade in der aktuellen Lage der richtige Zeitpunkt ist. Das Überwachungsaudit diene zur „Feststellung der Konformität“, heißt es in dem Schreiben: „Bitte nutzen sie unseren Onlineantrag und senden uns die unterschriebenen Auditunterlagen bis zum 14.04.2020 zu.“ Darauf folgt eine Anleitung zum Bearbeiten des Onlineantrages.

Die Präqualifizierungsstellen müssten als Grundlage zur Aufrechterhaltung der Präqualifizierung innerhalt der Gültigkeitsdauer des Zertifikates von 5 Jahren turnusmäßig zwei Überwachungen nach 20 und nach circa 40 Monaten durchführen, heißt es weiter als Begründung: „Dieser Vorgang ist für alle zertifizierten Leistungserbringer und alle akkreditierten Präqualifizierungsstellen verbindlich“, steht dort im Amtsdeutsch und fett gedruckt zu lesen. Außerdem kostet das Audit Geld.

Die ABDA will sich nicht zu diesen Schreiben und den Termin äußern und verweist auf die Agentur für Präqualifizierung. Auf ihrer Internetseite hat die AfP jetzt eine Inmformation eingestellt: „Für Leistungserbringer, die neben der Versorgung mit Hilfsmitteln auch im Zusammenhang mit der Ausbreitung von SARS-CoV-2 systemrelevante Versorgungen durchführen und aufrecht erhalten müssen (z.B. Apotheken), gilt, die Überwachungen entsprechend dem Dokument IAF ID 3:2011 für einen Zeitraum von nicht mehr als sechs Monaten zu verschieben.“ Die Überwachungsaudits berücksichtigten den von der Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) vorgegebenen Zeitrahmen.

Vor der Apothekerkammer Niedersachsen erhielt eine andere Apotheke derweil Post zum Thema Heilberufeausweis. Darin werden die Apotheker aufgefordert, eine beglaubigte Kopie der Approbation einzusenden, die nicht älter als drei Monate sein darf. „Ich finde es ein Unding, ein Schreiben mit Datum vom 13. März aufzusetzen, während wir an der Front auf dem Zahnfleisch gehen“, so der Apotheker: „Hat denn die Apothekerkammer nichts Besseres zu tun?“ Eventuell könne die Kammer mal nach Lösungen zur Entlastung der Appotheken suchen und überdenken, ob Notdienste in Zeiten der Ausgangssperre in vollem Umfang notwendig seien.

Die Kranich-Apotheke in Salzgitter schließlich wundert sich über das Finanzamt. „Mein Mann bekam gestern Post vom Finanzamt Wolfenbüttel/Salzgitter, dass die ernsthaft Mitte April eine Steuerprüfung durchführen wollen“, berichtet Apothekerin Corinna Thier. „Das ist das größte Unding in dieser Zeit. Abgesehen davon, dass die letzte Steuerprüfung erst zwei Jahre zurückliegt und sich der profilierungssüchtige Beamte wohl immer noch ärgert, dass er nichts fand, geht so etwas einfach nicht. Niemand von uns hat Zeit für so einen Blödsinn.“

Während die Bundesregierung Hilfspakete für die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise schnüre und darin unter anderem auch Steuerstundungen vorsieht, kündige das Finanzamt eine Steuerprüfung an, ärgert sich Thier. „Was im Moment bei uns wie auch in allen anderen Apotheken los ist, brauche ich nicht weiter auszuführen. Sogar alle Krankenkassen unterstützen uns durch Aussetzung der Rabattverträge. Ansonsten steht die Welt still und jeder tut, was er kann, damit wir diese unfassbare Krise in den Griff kriegen.“