Wenn das Kreuz schmerzt

Therapieoptionen bei Hexenschuss und Bandscheibenvorfall Julia Germersdorf, 29.04.2023 14:26 Uhr

Bei Hexenschuss und Bandscheibenvorfall ist die Symptomatik ähnlich, es gibt aber bedeutende Unterschiede. Hinzu kommt, dass ein Hexenschuss durch einen Bandscheibenvorfall ausgelöst werden kann. Foto : Adobe Stock / Studio_Romantic
Berlin - 

Mitarbeiter:innen in Apotheken erleben es nahezu täglich: Patient:innen klagen über heftige Rückenschmerzen. Hin und wieder kommt dann die Frage auf, ob es sich eventuell um einen Bandscheibenvorfall oder einen Hexenschuss handeln könnte. Beides sind Erkrankungen, die extreme Rückenschmerzen verursachen können, aber es gibt einige Unterschiede in Bezug auf die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten.

Ob ein Hexenschuss vorliegt oder ob es sich um einen Bandscheibenvorfall handelt, lässt sich selbst von Ärzt:innen nicht immer gleich auf den ersten Blick beurteilen. Aber es gibt Merkmale, die eher für die eine oder die andere Erkrankung sprechen.

Wenn die Hexe einschießt

Bei einem Hexenschuss, oder auch akuter Lumbago genannt, spricht man von einer plötzlichen und schmerzhaften Rückenverletzung, die durch Überbeanspruchung der Muskeln beziehungsweise Bänder oder Wirbel im unteren Rückenbereich verursacht wird. Die meisten Erwachsenen werden wohl mindestens einmal im Leben sprichwörtlich „von der Hexe getroffen“: Der Schmerz schießt plötzlich unter einer bestimmten, meist abrupten Bewegung, in den Rücken ein, ohne sich vorher bemerkbar gemacht zu haben. Durch die oft ruckartige Regung verhärtet oder verkrampft die Muskulatur, was übergangslos zu einem unerwartet starken Schmerz im Kreuz führt. Die betroffene Person verharrt anschließend in der Position, in der sie sich gerade befindet, die Beweglichkeit ist stark eingeschränkt oder gar blockiert.

Risikofaktoren

Ein Hexenschuss kann durch folgende Faktoren begünstigt werden:

  • Übergewicht
  • Bewegungsmangel
  • Fehlhaltung
  • schwache Rückenmuskulatur
  • schwere körperliche Arbeit

Aber auch seelische Belastung kann ein Auslöser sein.

Behandlungsoptionen

Die meisten Hexenschüsse heilen innerhalb von ein paar Tagen oder Wochen von selbst. Gesundheitsschädliche Folgen sind in der Regel nicht zu erwarten. Es gibt jedoch einige Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen der Selbstmedikation, die den Heilungsprozess beschleunigen und die Schmerzen lindern können.

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), wie Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac kommen hier am häufigsten zum Einsatz, um Schmerzen abzumildern und Entzündungen entgegenzuwirken.

Wärmeanwendungen helfen, die Muskeln zu entspannen. Hierfür gibt es folgende Optionen:

  • Heizkissen (Kirschkernkissen, Traubenkernkissen…)
  • Wärmflaschen
  • Wärmeeinreibungen mit Nonivamid und Nicoboxil oder Capsaicin
  • Wärmepflaster- oder Umschläge

Durch Massagen, Physiotherapie und gezielte krankengymnastische Übungen besteht die Möglichkeit, die Muskeln zu lockern. Sich schonen und Bettruhe halten sollte man allerdings auf keinen Fall. Selbst in der akuten Schmerzphase nicht. Stattdessen sind leichte Bewegungen empfehlenswert, beispielsweise tut ein Spaziergang dem Rücken gut.

Bleiben die Beschwerden über drei Tage oder länger bestehen, sollte ärztlicher Rat hinzugezogen werden, um der Ursache für die andauernden Rückschmerzen auf den Grund zu gehen.

Um einem Hexenschuss vorzubeugen, ist es notwendig, möglichst viel Bewegung in den Alltag zu integrieren. Dies gilt auch für Rückenbeschwerden im Allgemeinen.

Bandscheibenvorfall

Ein Bandscheibenvorfall, auch Discusprolapses genannt, kündigt sich häufig über einen längeren Zeitraum an. Hier bricht der innere Teil der Bandscheibe durch die äußere Schicht. Dabei kann es passieren, dass dieser Gallertkern auf einen oder mehrere Nerven drückt, die sich an der entsprechenden Stelle entlang der Wirbelsäule befinden. Neben Schmerzen kann dies auch zu Taubheit, Kribbeln, Muskelschwäche und sogar Lähmungserscheinungen führen, die in Arme oder Beine ausstrahlen.

Eine Vorstufe des Discusprolapses ist die Bandscheibenvorwölbung. Dabei wölbt sich der Gallertkern nach außen, durchbricht den Faserring aber noch nicht. In den meisten Fällen tritt ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) auf. Seltener ist die Halswirbelsäule (HWS) betroffen. Auch am Übergang von der Brust- zur Lendenwirbelsäule kann ein Bandscheibenvorfall entstehen. Die Behandlung eines Bandscheibenvorfalls hängt von der Schwere der Verletzung und den individuellen Bedürfnissen des oder der Betroffenen ab.

Symptome

  • Rückenschmerzen bei Belastung
  • Verhärtete Muskulatur im Bereich der Wirbelsäule
  • Inkontinenz in seltenen Fällen

Wenn die Lendenwirbelsäule betroffen ist:

  • Ausstrahlender Schmerz im Gesäß oder in den Beinen
  • Kribbeln in den Beinen
  • Lähmungen der Beinmuskulatur

Wenn die Halswirbelsäule betroffen ist:

  • Nackenschmerzen
  • Nackensteife
  • Ausstrahlender Schmerz in Armen, Händen oder Hinterkopf
  • Kribbeln, Taubheits- oder Kältegefühl in Armen und Händen

Die Schmerzintensivität hängt davon ab, wo der Bandscheibenvorfall auftritt, wie schwerwiegend er ist und welche Nerven betroffen sind. In manchen Fällen erfolgt ein Bandscheibenvorfall komplett ohne Schmerzen und neurologische Ausfälle, weil kein Nerv betroffen ist. Dann bleibt eine solche Erkrankung auch oft unbemerkt.

Ursachen und Risikofaktoren

Im Alter können die Bandscheiben ihre Elastizität verlieren. Der stabilisierende Faserring kann feine Risse bekommen, wodurch der Gallertkern leichter durchbrechen kann. Außerdem ist der Gallertkern selbst immer schlechter in der Lage, Wasser aufzunehmen, weshalb er ebenfalls weniger elastisch wird. Aber auch jüngere Menschen können von einem Bandscheibenvorfall betroffen sein. Folgende Risikofaktoren gelten für Jung und Alt gleichermaßen:

  • Übergewicht
  • Zu wenig Bewegung
  • Viel Sitzen
  • Schweres und falsches Heben
  • Genetische Veranlagung

Aber auch ein Unfall kann einen Bandscheibenvorfall verursachen.

Diagnose

Bei einem Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall werden von ärztlicher Seite her, meist sind es Orthopäd:innen, vor einer Untersuchung bestimmte Parameter abgefragt. Zum Beispeil, ob sich der Schmerz unter einer bestimmten Bewegung verschlimmert und ob mit dem Schmerz ein Taubheitsgefühl einhergeht. Ist dies der Fall, gibt ein CT (Computertomografie) oder ein MRT (Magnet-Resonanz-Tomografie) endgültige Sicherheit, ob und in welchem Bereich der Wirbelsäule ein Bandscheibenvorfall vorliegt.

Dauer und Behandlung

Ein Bandscheibenvorfall kann Wochen oder sogar Monate dauern. Die Behandlung hängt von der Lage und Schwere der Erkrankung ab. Eine geeignete Therapie kann aus Schmerzmitteln, wie NSAR bestehen. In vielen Fällen verordnet der Arzt auch COX2-Hemmer sowie Corticosteroide oder Medikamente zur Muskelentspannung. Krankengymnastik und Physiotherapie können ebenso zum Behandlungsplan zählen. Handelt es sich um einen schweren Bandscheibenvorfall, kann die Therapie auch Kortekoid-Injektionen oder sogar einer Operation umfassen.

Außerdem können Chiropraktiker:innen versuchen, die Funktionsstörungen zu ertasten und durch manuelle Anpassungen die Wirbelsäule zu stabilisieren.

Eine Operation kommt meist nur dann in Frage, wenn Nerven dauerhaft geschädigt werden könnten oder auch nach mehreren Wochen beziehungsweise Monaten konservativer Behandlung keine Besserung in Sicht ist. Dann ist es erforderlich, den Druck auf die Nerven zu reduzieren. Oft wird hierzu die beschädigte Bandscheibe entfernt und durch eine Prothese oder Fusion ersetzt.