Kassenabschlag und Zwangsrabatt

Steinrücken (BMG): Entwurf sollte so nicht raus Alexander Müller, 18.03.2022 11:31 Uhr

Die Apotheken dürfen noch hoffen, dass über die geplante Erhöhung des Kassenabschlags noch gesprochen wird. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die Apotheken dürfen noch hoffen, dass die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) vorgesehene Erhöhung des Kassenabschlags nicht in Stein gemeißelt ist. Der Gesetzentwurf war laut Thiemo Steinrücken, Referatsleiter im Bundesgesundheitsministerium (BMG), „nicht in dem Stadium, in dem er mit der Öffentlichkeit hätte diskutiert werden können“. Jetzt soll weiter am Entwurf gearbeitet werden, der dann zur gegebenen Zeit an die Verbände gegeben werde.

Steinrücken leitet im BMG das Referat Grundsatzfragen Apothekengesetz, Pharmaberufe und Apothekenbetrieb. Beim Apothekenrechtstag im Rahmen der Interpharm konnte er zumindest eine leise Hoffnung machen, dass an dem Spargesetz noch gefeilt wird. Klar sei allerdings, dass die Regierung im Gesundheitsbereich werde sparen müssen: „Es war abzusehen, dass wir im nächsten Jahr eine Finanzierungslücke in der GKV haben werden und dass man etwas tun muss.“

Mit seinem Entwurf für ein Spargesetz hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht nur die Apotheken überrascht – die gesamte Branche war vor den Kopf gestoßen. Alleine die Apotheken sollen über eine Anhebung des Kassenabschlags von 1,77 auf 2 Euro über zwei Jahre mit 170 Millionen Euro belastet werden. Die Summen seien sogar viel höher, da der Kassenabschlag die Mehrwertsteuer beinhalte, warnt die Abda. Die geplante Absenkung auf 7 Prozent, die man grundsätzlich mittrage, führe so zu einer doppelten Belastung.

Pharmaindustrie entsetzt

Noch gravierender sind die geplanten Einschnitte bei den Herstellern, die mit Milliardenbeträgen zur Kasse gebeten werden sollen. Steinrücken verwies in seinem Vortrag auf die stark gestiegenen Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel. Auch die Verlängerung des Preismoratoriums sei im Grunde keine Überraschung, denn darauf habe sich die Ampel schließlich schon im Koalitionsvertrag geeinigt.

Was die Rolle der Apotheken betrifft, so hätten diese in der Pandemie einen enormen Beitrag geleistet, zum Teil auch sehr kurzfristig übertragene Aufgaben übernommen wie etwa bei der Verteilung der Masken. Vor allem die Haltung „Einfach mal machen, statt viel zu diskutieren“ habe dem Berufsstand „viel Respekt und Glaubwürdigkeit eingebracht in den letzten zwei Jahren“, so Steinrücken. Ob sie deshalb beim Spargesetz verschont werden, konnte Steinrücken nicht versprechen, zumal sein Referat an diesen Fragen auch nicht beteiligt ist.

Mehr Geld sollen die Apotheken demnächst über die Vergütung neuer pharmazeutischer Dienstleistungen bekommen. Aktuell sind 150 Millionen Euro jährlich dafür vorgesehen, die Ampel will dieses Feld aber ausbauen. Noch hakt es bei der Umsetzung, weil sich Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband in ihren Verhandlungen nicht auf konkrete Leistungen verständigen konnten. Aber Steinrücken hofft, dass die Auszahlung in der zweiten Jahreshälfte beginnen kann.

Mehr Geld für Pharmazeutische Dienstleistungen

Diese soll dann über den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) abgewickelt werden. Die dem DAV nachgeordnete Stelle habe in der Pandemie bereits weitere Aufgaben übernommen, erinnerte Steinrücken mit Verweis auf die Auszahlung der Maskenpauschale und für die Erstausstattung der TI-Anbindung. „Wir werden weiter mit dem NNF planen und ihn ausbauen“, kündigte der BMG-Vertreter an.

Als weitere Vorhaben der Koalition steht die vor allem von Grünen und FDP gewünschte Liberalisierung von Cannabis auf dem Programm und natürlich weiterhin die Digitalisierung. Während im Koalitionsvertrag noch die „beschleunigte Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes sowie deren nutzenbringenden Anwendung“ steht, hatte Minister Lauterbach die Einführung des E-Rezepts aber zunächst einmal gestoppt. Steinrücken verwies diplomatisch auf „unterschiedliche Herangehensweise“ der alten und neuen Regierung. Die flächendeckende Einführung sei jedenfalls erst dann vorgesehen, wenn „alle Prozess-Schritte problemlos funktionieren“.

Lauterbach habe sich zwar dahin geäußert, dass ihm die ePA wichtiger sei als das E-Rezept. Letzteres sei aber nicht insgesamt gestoppt, versicherte Steinrücken. Ein wichtiges Element in diesem Zusammenhang sei dem BMG das Makel- und Zuweisungsverbot. Auf etwaige Umgehungsstrategien im Markt werde man entsprechend reagieren, kündigte der BMG-Vertreter an. Auffällig allerdings: Unter den kurz- und langfristigen Projekten seines Hauses, die er zum Abschluss seines Vortrags auflistete, fanden sich zwar das Spargesetz und die Anpassung einiger berufsrechtlicher Regelungen sowie Cannabis-Legalisierung, die Überarbeitung des Apothekenstärkungsgesetzes und die Notfallreform – aber nicht die Einführung des E-Rezepts.