Arzneimittelpreise

Rx-Boni: Was dürfen die Kammern? Alexander Müller, 06.12.2010 11:18 Uhr

Bad Homburg - 

Die Apothekerkammern wollen gegen jede Form der Rabattgewährung bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel vorgehen. Sie berufen sich auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Bonustalern. Danach greift die Bagatellgrenze bei Rx-Boni nur im Wettbewerbsrecht, nicht aber berufsrechtlich. Rx-Boni verstoßen also in jedem Fall gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Trotzdem äußern Experten Bedenken gegen ein hartes Durchgreifen der Kammern und Aufsichtsbehörden.

Bei dem Gesundheitsrechtstag der Wettbewerbszentrale diskutierten Juristen darüber, wie eng das Berufsrecht in dieser Frage ausgelegt werden kann. Denn obwohl die Kammern das Recht haben, jeden Verstoß gegen die AMPreisV zu verfolgen, gibt es verfassungsrechtliche Einwände: Rechtfertigen Rabatte, die im Wettbewerbs nicht spürbar sind, einen Eingriff in die vom Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit?

Der Arzneimittelrechtsexperte Professor Dr. Elmar Mand hat diese Frage der Verhältnismäßigkeit geprüft: „Für eine Einschränkung der Berufsfreiheit muss es vernünftige Einwände des Gemeinwohls geben. Die haben wir hier: Es geht um die Sicherstellung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung“, sagte Mand gegenüber APOTHEKE ADHOC. Aus seiner Sicht kann man ein rigides Vorgehen der Kammern daher als angemessen ansehen. Ob das Bundesverfassungsgericht diese Ansicht teilt, sei allerdings offen, so Mand.

Dagegen hat der auf Apothekenrecht spezialisierte Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas Vorbehalte gegen die angekündigte Null-Toleranz-Politik der Apothekerkammern. Aus seiner Sicht könnte ein generelles Verbot von Bonus-Talern gegen den EU-Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel verstoßen. Danach sind geringwertige Zugaben auch bei der Abgabe verschreibungspflichter Arzneimittel erlaubt.


An gleicher Stelle ist im Kodex aber auch das Recht der Mitgliedstaaten verankert, die nationalen Preisvorschriften selbst zu regeln. Deshalb bleibt es aus Douglas Sicht eine Frage der Auslegung des Kodex: Entweder zu Lasten einer einheitlichen Rechtsanwendung oder restriktiv zu Lasten der Mitgliedstaaten. Douglas geht davon aus, dass es bald neue Verfahren um Bonustaler geben wird - in Karlsruhe oder in Luxemburg.

Aus Sicht der ABDA sind die Kammern dagegen sogar verpflichtet, Verstöße gegen die Preisvorschriften zu verfolgen: Im Gesetz stehe nichts von einer ungefähren Einhaltung der Arzneimittelpreise, der Gesetzgeber habe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vielmehr feste Preise vorgesehen, sagte Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer für Apotheken- und Arzneimittelrecht sowie Berufsrecht. Aus Sicht der anderen Experten haben die Kammern dagegen nach dem Opportunitätsprinzip durchaus die Möglichkeit, kleinere Verstöße nicht zu ahnden.

Wenn die Aufsicht hingegen hart durchgreift, droht eine Diskriminierung deutscher Apotheken gegenüber ausländischen Versandapotheken. Denn Letztere können von den hiesigen Behörden nicht zur Ordnung gerufen werden. Nur oberhalb der vom BGH gezogenen Bagatellgrenze von rund einem Euro können auch ausländische Versender wettbewerbsrechtlich belangt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Gemeinsame Senat der Auffassung des BGH folgt. Anderenfalls wären Versender hinter der Grenze überhaupt nicht an deutsche Preisvorschriften gebunden.