Roast Battle: Apothekerin grillt Versand-CEO 09.08.2025 08:12 Uhr
Sich gegenseitig zu beleidigen, das war das Konzept der TV-Show „Roast Battle“ auf Comedy Central. Angesichts der aufgeheizten Stimmung im Apothekenmarkt wird das Format neu aufgelegt. Statt Comedians treten Branchenvertreter zum Schlagabtausch an. Wer den Gegner am tiefsten unter der Gürtellinie trifft, hat gewonnen.
„Wir sind gemein, herzlos und verdienen Geld damit“, lautet das Motto von „Roast Battle“. Das Studio sieht aus wie eine Wrestling-Arena, das Konzept ist denkbar einfach: Zwei Kandidaten treten gegeneinander an, beleidigen sich vor Publikum und laufenden Kameras, eine Jury entscheidet am Ende, wer schlagfertiger war. Anders ausgedrückt: „Zwei Kontrahenten steigen in den Ring, nur einer kommt mit intaktem Selbstwertgefühl heraus.“
Zur Neuauflage hat sich die Redaktion ein aktuelles Thema herausgesucht: Der Streit zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern soll jetzt zu einer eigenen Unterhaltungssendung taugen. Für die Apotheken tritt Ina Preis an, eine junge Inhaberin aus Schwäbisch-Gmünd. Die Versender werden von Walter Heinrich vertreten, CEO eines führenden Online-Anbieters aus den Niederlanden.
„Ey, Rosinenpicker, auf geht‘s“, springt Ina Preis beherzt auf die Bühne. Der erste Treffer sitzt. „Kittelkati“, grummelt der Manager, der nun im feinen Zwirn ins Licht der Scheinwerfer tritt. „Rabattheini!“ „Schubladenzieherin!“ „Gewinngaul!“ „Digitalverweigerin!“ So geht es eine Weile hin und her, ohne dass der Moderator einschreitet. Ein Raunen geht durch das Publikum. So bösartig hat sich im deutschen Fernsehen noch nie jemand beleidigt. Die erste Reihe ist besetzt von Anwälten, die jedes Wort der Gegenseite protokollieren, um damit später womöglich vor Gericht zu ziehen.
Nun will der Moderator aber doch von den beiden Kandidaten wissen, was denn ihr Lager besser als das andere kann. „Wir versorgen persönlich, vor Ort, sofort, auch nachts. Wir kennen unsere Kundinnen und Kunden, liefern nach Hause, stellen Rezepturen her. Wir sind Ansprechpartner für alle Gesundheitsthemen, haben ein offenes Ohr auch für die Sorgen und Nöte der Menschen. Wir halten Rücksprache mit Ärzten, lösen im Grunde jedes Problem. Wir bringen uns ins Gemeinwesen ein, zahlen unsere Steuern dort, wo wir ansässig sind.“
Dann ist die Redezeit abgelaufen, die Regie dreht der Apothekerin erst einmal das Mikrofon ab, was sie nicht davon abhält, weiter Vorteile aufzuzählen. Walter Heinrich ist an der Reihe: „Wir zahlen bares Geld für jedes Rezept. Und uns geht das Geld nicht aus, wir haben Top-Investoren.“ Heinrich überlegt weiter, doch viel mehr kann er Ina Preis nicht entgegnen. Im Publikum herrscht angesichts des unglücklichen Aufschlags peinliche Stille. Nur ein offenbar mitgebrachter Claqueur versucht einen Szenenapplaus auszulösen, doch es bleibt bei einzelnen Klatschern.
Der Moderator sieht Walter Heinrich mitleidig an. Denn während dieser noch versucht, die Worte seiner extra aus Holland eingeflogenen PR-Souffleuse zu verstehen, ist seine Redezeit zu Ende. Gegenüber kommt Ina Preis erst richtig in Fahrt. Sie heizt das Publikum an; als sie dann noch erzählt, dass man vor Ort auf Wunsch sogar einen kostenlosen Botendienst und Kundenzeitschriften bekommt, rastet die Menge aus. Volltreffer – der Sieg ist ihr sicher und auch der Moderator schaut sie verliebt an, als er ihren Gewinn ausruft.
Tatsächlich gab es in dieser Woche gleich mehrere Schlagabtausche. Theresa Holler, Chefapothekerin bei Shop Apotheke, gab in der FAZ zu Protokoll, dass ihr Unternehmen einen besseren Service als die Apotheken vor Ort bietet. „Das Level der Beratung, die Qualität der Kommunikation ist viel höher“, sagt sie mit Blick auf Anrufe bei Arztpraxen.
Und während sich die Konzernvertreterin derart brüstete, verpassten die Anwälte des Versenders einem Kollegen aus Bayern erst einmal einen Maulkorb: Christopher Hummel aus Bayern hatte im Münchner Merkur die Online-Konkurrenz als „Schmarotzer unseres Systems“ bezeichnet. Shop Apotheke ging gegen den Inhaber der Michaeli-Apotheke in Gaißach vor und konnte sich im zweiten Anlauf durchsetzen: Nachdem das Landgericht München II noch zugunsten des Apothekers entschieden hatte, wurden ihm seine Äußerungen jetzt vom Oberlandesgericht (OLG) untersagt. Denn abgesehen davon, dass einige Aussagen ohnehin irreführend seien, gehe es ihm im Grunde nur ums eigene Geschäft. Mit Kittel in der Lokalzeitung – das kann doch keine unabhängige Meinung, sondern nur ein Lobbyist in eigener Sache sein.
Ganz anders Redcare-CEO Olaf Heinrich. Der hatte im selben FAZ-Beitrag erklärt: Apotheken mit drei bis vier Ärzt:innen in der Umgebung und einem Jahresumsatz von drei Millionen Euro und mehr litten nicht darunter, wenn der Versandhandel einen signifikanten Marktanteil erreiche: „Ob die 10 Prozent mehr oder weniger haben, wird diese Apotheken nicht killen.“ Ein Problem seien diejenigen Apotheken, die beim Umsatz deutlich niedriger lägen. „Diese 60 Prozent stehen im Feuer – aber die stehen mit oder ohne uns im Feuer.“
Und auch der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) legte sich die geplante Temperaturkontrolle selbst zurecht: Der Branchenverband beschwor zusätzliche Belastungen für die gesamte Lieferkette herauf – vom pharmazeutischen Großhandel bis zum Botendienst. Der Vorschlag, der sich in Wirklichkeit nur auf den Versandhandel bezieht, sei ein „vergiftetes Geschenk“, das niemandem helfe und eine Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung bedeute.
Für Würze in der Debatte sorgte auch noch einmal Cartoonist Til Mette. Der hatte im April im „Stern“ eine Karikatur veröffentlicht, die einen Kunden mit Fahrrad vor einer verwilderten Apotheke zeigte. „Geschlossen“, prangte groß auf dem vernagelten Schaufenster. In einer Gedankenblase des Kunden stand schlicht: „Vielen Dank, Günther Jauch!“
Schon jetzt, mitten im Sommer zeigt sich: Der Herbst wird heiß! Schönes Wochenende.