Ganze Packung abrechnen

Rezeptur-Retax: Apotheken sollen Abschlag zurückfordern 02.12.2025 15:29 Uhr

Berlin - 

Bei der Verarbeitung von Fertigarzneimitteln in der Rezeptur darf die ganze Packung abgerechnet werden, auch wenn die Apotheke nur einen Teil davon verwendet hat. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden. Die Verbände empfehlen, alle Retaxationen zu prüfen – und auch den Kassenabschlag zurückzufordern.

Das BSG hatte entschieden, dass die Apotheke die erforderliche Packung, die sie zur Herstellung der Rezeptur benötigt, komplett mit der Krankenkasse abrechnen darf – auch wenn sie nur einen Teil davon verwendet hat.“ Hintergrund war ein Streit mit der AOK NordWest und einer Apotheke aus Westfalen-Lippe.

Zwar entfalte das Urteil formal nur Wirkung zwischen den streitenden Parteien, dennoch haben derartige Urteile erhebliche Orientierungswirkung, heißt es nun von den Verbänden. Zudem sei davon auszugehen, dass die Rechtslage für alle Apotheken und Kassen in Bezug auf die Verwendung von Fertigarzneimitteln in Rezepturen nun geklärt worden ist.

Was bedeutet das für die Rezepturberechnungen?

Sind folgende Bedingungen erfüllt, steht den Apotheken demnach ein Rückzahlungsanspruch zu, wenn eine Rezeptur unter Verwendung eines Fertigarzneimittels im Jahr 2017 oder später abgegeben und die hierfür erforderliche, das heißt kleinstmögliche Arzneimittelpackung abgerechnet worden ist. Allerdings muss gegen die Retaxation form- und fristgerecht Einspruch eingelegt worden sein. Zu beachten ist auch, ob der Einspruch zurückgewiesen wurde und die Kasse den retaxierten Betrag ganz oder teilweise von einer Monatsrechnung abgezogen hat.

Zur Geltendmachung der Ansprüche wurde ein entsprechendes Musterschreiben vorbereitet, das mit den geforderten Angaben auszufüllen ist und an die jeweilige Kasse per Einschreiben geschickt werden soll. In der Zahlungsaufforderung wird der Kasse eine Frist von sieben Tagen gesetzt, in der sie nicht die bereits abgesetzten Retaxationsbeträge überweisen soll, sondern auch den jeweiligen Kassenabschlag.

Rückzahlung Apothekenabschlag

Laut den Verbänden haben die Kassen wegen der verspäteten Zahlung einen Anspruch auf die Rückzahlung des Zwangsrabatts. Denn: „Die Apotheke schuldet der Krankenkasse nach § 130 Abs. 3 SGB V den Apothekenabschlag nur dann, wenn die Krankenkasse ihre Arzneimittelabrechnung fristgerecht und in vollem Umfang ausgleicht“, heißt es im Informationsschreiben an Apotheken.

Und weiter: „Da die Krankenkassen – nun bestätigt durch das BSG – die Retaxationen zu Unrecht ausgesprochen haben, sind die Voraussetzungen des § 130 Abs. 3 SGB V bezüglich desjenigen Abrechnungsmonats nicht erfüllt, in dem die Krankenkassen den Retaxbetrag tatsächlich abgesetzt hatten, das heißt die Monatsrechnung zu Unrecht nicht vollständig beglichen haben.“ Der Abschlag entfalle damit für sämtliche in diesem Abrechnungsmonat mit der jeweiligen Kasse abgerechneten Rezepte.

Kein Grund zum Verzicht

„Mit der Rückforderung des Apothekenabschlags für den gesamten Abrechnungsmonat steht Ihnen daher in aller Regel eine im Vergleich zum retaxierten Betrag deutlich höhere Forderung zu. Es gibt keinen Grund, auf die Rückzahlung des Apothekenabschlags zu verzichten. Zur Bezifferung des Anspruches wenden Sie sich im Zweifel an Ihr Rechenzentrum“, so die Verbändesicht.

Achtung: Der Abschlag steht den Apotheken nur aus dem Abrechnungsmonat zu, in dem der retaxierte Betrag tatsächlich abgesetzt wurde. Derzeit habe man verschiedene Krankenkassen angeschrieben und um einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung gebeten, so die Verbände. „Die Ansprüche der abgesetzten Beträge aus dem Jahr 2021 drohen zum Ende dieses Kalenderjahres (2025) zu verjähren. Für die Jahre 2022 und folgende gilt die Gefahr der Verjährung in diesem Jahr noch nicht“, heißt es weiter.

Zur Not: Klagen!

Apotheken, die von dieser Verjährung betroffen sind, können dies nur durch eine eigenständige Klage verhindern. „Die jeweilige Krankenkasse schnellstmöglich zur Zahlung der abgesetzten Beträge und des Apothekenabschlages unter Fristsetzung aufzufordern und – sollte die Krankenkasse der Aufforderung nicht nachkommen – bis spätestens zum 31. Dezember 2025 (Eingang bei Gericht) Klage einzureichen“, so die Empfehlung.

Gegenstand des Urteils war die Verwendung von Fertigarzneimitteln in Rezepturen. Davon zu unterscheiden sind die vom DAV initiierten Klageverfahren als Reaktion auf die Kündigung der Anlagen 1 und 2 der Hilfstaxe mit Wirkung zum 1. Januar 2024, also im Fall der Verwendung von Rezepturausgangssubstanzen wie reinen Arzneistoffen oder Hilfsstoffen nach diesem Zeitpunkt.

Die Verbände empfehlen, stets die gesamte Packung in Ansatz zu bringen, wobei sich der abrechenbare Apothekeneinkaufspreis nach der kleinsten im Handel erhältlichen Packungsgröße richtet, die zur Herstellung der Rezeptur erforderlich ist. Gegen die Retaxationen ist Einspruch einzulegen.