PTA im Kino: Pillen fürs Publikum 23.08.2025 08:05 Uhr
PTA Agatha Freitag verlässt die strenge Welt der Apotheke und taucht ein in die schrillen Grenzbereiche zwischen Drogerie, Kino und Fußballstadion. Mit Bauchladen und Ideenreichtum bringt sie Arzneimittel dorthin, wo niemand sie erwartet – noch nicht.
Agatha Freitag steigt ins Botenfahrzeug und lässt die Apotheke mit ihren festen Regeln hinter sich. Vor ihr beginnt die freie Handelszone, ein Schlaraffenland der Unschärfen, in dem Rabattcoupons mehr gelten als Qualität. Wer heute ein Geschäft betritt, weiß nicht, worüber er noch stolpern könnte – Stichwort Shop-in-Shop-in-Shop-Prinzip.
Insbesondere Drogerien greifen nach den Sternen. Sie verkaufen längst nicht mehr nur Make-up, Bimssteine oder Haarspangen, sondern auch Kosmetik und Gesundheitsprodukte, die man früher exklusiv in der Apotheke verortet hätte. Während die einen mit Farbcodes wie bei der Straßenverkehrsordnung experimentieren, basteln die nächsten an ihrem Versandhandelskonzept, und wieder andere haben schon Apothekenpersonal ins Visier genommen. Das schleckereske Drogerieerlebnis scheint längst vergessen.
Natürlich können Apotheken diese Entwicklung nicht einfach auf sich sitzen lassen – und genau da kommen Mitarbeitende wie Freitag ins Spiel. Sie fährt mit quietschenden Reifen Richtung Kino. Nicht etwa, um sich den neuesten Blockbuster reinzuziehen (Team Popcorn oder Team Nacho? Auf jeden Fall Cola!), sondern um dort ihre Waren feilzubieten.
Während der Fahrt denkt sie an ihre bisherigen Außendiensteinsätze zurück: An den Drive-in eines Schnellimbisses, wo sie nach der Bestellannahme über das Sprachterminal freundlich nach Bedarf an Entschäumern, Appetitanregern oder Obstipationsmedikation fragte. Oder als sie an der Hauptverkehrsader gemeinsame Sache mit einem Scheibenputzer machte: Während er die Frontscheibe einseifte, pochte sie ans Seitenfenster, um eine Glaubensfrage zu stellen: Ibuprofen oder Paracetamol?
Heute also Kino. Endlich angekommen wird die PTA hinter der Popcornmaschine mit einem Bauchladen versorgt, den sie gewissenhaft bestückt – mit allem, was das Herz eines Kinobesuchers höherschlagen lässt: Laktosetabletten (der Eismann ist vor ihr dran), Ohropax (falls der Sitznachbar schmatzt) oder Hustenstiller (Husten im Kino, ein Albtraum!).
In Saal 3 läuft derweil alles wie gewohnt: erst internationale Spots, dann verwackelte Lokalreklame und schließlich der Eisverkäufer mit seinen Haselnusshörnchen und Fürst-Pückler-Schnitten. Wieder schweifen Freitags Gedanken ab: Sie erinnert sich an den letzten Einsatz beim Italiener, als sie nach dem Sommelier Verdauungstropfen in gleicher Manier feilbot. Auch im Baumarkt schätzt man sie mittlerweile: Für streitende Paare in der Wandfarbenabteilung rückte sie mit Beruhigungstropfen und Blutdruckmessgerät an.
Im Kinosaal legt sich derweil erwartungsvolle Ruhe über die Menge. Die Zuschauenden lehnen sich zurück – jetzt endlich, denken sie, beginnt der Film: Werbung erledigt, Eismann erledigt, das Popcorn schon einverleibt – perfekt. Doch weit gefehlt: Mit einem Mal flackern die Scheinwerfer wieder auf und Freitag steht mit ihrem Bauchladen vor der Leinwand. „Möchte noch jemand ein Medikament?“
Mit freundlicher Stimme geht sie durch die Reihen und empfiehlt sich die Seele aus dem Leib. Zwischendurch muss sie einem Stammkunden erklären, dass sie hier leider keine E-Rezepte einlösen kann – auch wenn es schon auf der eGK gespeichert ist – und eine Medikationsanalyse nur in der Apotheke möglich ist. Der Film muss warten – und viele Kinobesucher auch.
Nach diesem Einsatz ist die PTA schnell verschwunden – und taucht schließlich im Fanblock des 1. FC Süderbrarup wieder auf, der zu Hause gegen Holstein Kiel kickt. Neben dem Bauchladen trägt sie jetzt ein Fass auf dem Rücken – zweifach angeschlagen, Elektrolytlösung mit Erdbeer- oder Apfelgeschmack, ganz nach Fan-Vorliebe. Den Stichheiler zieht sie bei Bedarf wie einen Colt und wenn es sein muss auch den Epi-Pen. Hier würde es niemanden mehr wundern, wenn in der Halbzeit Otternasen und Lerchenzungen im Bauchladen lägen – auch Freitag nicht.
Schon gehört? Rossmann schafft die Marke Gesundheit Plus ab und integriert die Produkte künftig ins normale Sortiment, während Müller seine Gesundheitswelt ausbaut und dafür PTA oder Apotheker:innen sucht, um Sortiment, Beratung und Filiallayouts aktiv mitzugestalten.
Auch die Versender kamen in dieser Woche nicht zu kurz: „Ohne Jauch geht's auch“: Die Stachus-Apotheke in München wirbt mit diesem Slogan für die Stärke der Vor-Ort-Apotheken und ruft Kolleginnen und Kollegen bundesweit zur Nachahmung auf. Derweil gab sich in der Birken-Apotheke in Dannstadt-Schauernheim eine Frau als PKA aus, stahl in ihrer ersten Arbeitswoche 450 Euro und wurde kurz darauf von der Polizei verhaftet. Die Saniplus-Apotheken bin München beliefern AOK-Nordost-Versicherte nur noch privat, weil die Kasse Rechnungen nicht bezahlt. Inhaberin Birgit Lauterbach klagt nun auf Erstattung.
Zum Abschluss noch etwas Schönes: Viktoria Kuznetsov bekommt in der Schellenberg-Apotheke eine zweite Chance und kann ihr drittes PKA-Lehrjahr nun motiviert und erfolgreich beenden.
In diesem Sinne – schönes Wochenende!