Trinknahrung

Präqualifizierung: „Das Schlimmste war das Gewerbezentralregister“ Carolin Ciulli, 10.03.2022 12:28 Uhr

Zwei Wochen Arbeit: Eine Apothekerin schildert, was jetzt nötig ist, um Trinknahrung auf Kassenrezept abgeben zu dürfen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Seit diesem Jahr müssen Apotheken eine Präqualifizierung vorweisen, wenn sie Trinknahrung auf Kassenrezept abgeben möchten. Auch Apothekerin Lilia Neuert versorgt Kinder und ältere Kund:innen mit den Produkten. Sie kritisiert die neue Regelung, denn der Antrag koste viel Zeit: Allein die Auskunft aus dem Gewerbezentralregister sei ein Mammutprojekt gewesen. „Die Vorgaben sind für Apotheken selbstverständlich zu erfüllen, ich weiß nicht, warum man die Präqualifizierung überhaupt braucht.“

Als Apotheke in einem Ärztehaus mit einer Kinderarztpraxis versorgt die Kirschberg Apotheke in Griesheim unter anderem Neugeborene und Kleinkinder mit Trinknahrung. „Manche sind dauerhaft auf die Nahrung angewiesen“, sagt sie. Auch ältere und schwache Kund:innen benötigten die Produkte. „Wir haben sehr viele Patienten, die wir versorgen müssen.“

Allerdings sei der bürokratische Aufwand immens. Zwei Wochen saß sie an dem Antrag, um die Präqualifizierung für die Abgabe von spezieller Trinknahrung zu erhalten. „Das war nur die Antragsstellung“, betont sie. Mit der fachlichen Kompetenz etwa wie die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter:innen habe dies nichts zu tun. Die Apothekerin fragt sich, warum das komplexe Verfahren nötig ist und Anforderungen enthält, die für eine Apotheke entweder Standard seien oder nichts mit der Versorgung mit Trinknahrung zu tun hätten.

Grundriss der Apotheke gefordert

Zusätzlich zum elfseitigen Antrag musste sie etwa eine Kopie ihres Mietvertrages über die Apothekenräume hinzufügen. In dem Plan musste sie kennzeichnen, welche Seite im Labor steril und welche nicht steril ist. Dies sei auch fotografisch belegt worden. Außerdem seien ein ‍Grundriss der Apotheke sowie Fotos der Räume angefordert worden. Auch die Approbationsurkunde und die Betriebserlaubnis wurden angefragt.

Weitere Fotonachweise wurden von der Kühlbox eingereicht. Dazu habe sie eine Versicherung beigelegt, dass die Boten die Produkte ordnungsgemäß transportieren. Auch die Abholregale wurden fotografiert. „Warum muss ich die Liege im Beratungsraum von zwei Seiten fotografieren, wenn es um Trinknahrung geht? Warum muss ich ein extra Regal für bestellte Hilfsmittel und ein extra Regal für gelagerte Hilfsmittel vorweisen? Warum geht das nicht in einem?“, lauten einige Fragen, die sich die Apothekerin nicht beantworten kann. Auch der „Ganzkörperspiegel“ habe fotografiert werden müssen.

Besonders die geforderte Auskunft aus dem Gewerbezentralregister habe viel Zeit und Energie gekostet. „Das war das Schlimmste“, so Neuert. Sie habe zunächst bei der Stadtverwaltung angefragt. Dort verwies man sie an die Verwaltung ihres Wohnortes. „Ich habe dann bei der Polizei angerufen, die verschiedene Unterlagen sehen wollten.“ Als sie diese dorthin geschickt habe, habe es geheißen, dass man ihr dort nicht helfen könne. „Es war ein Missverständnis, die Unterlagen würden vernichtet und ich sollte mich an die Bundesjustizanstalt wenden.“

„Ich habe mich durchgebissen“

Letztlich konnte man ihr im Rathaus in Darmstadt helfen. „Ich habe mich durchgebissen und nur dafür wahrscheinlich mit 25 Personen telefoniert.“ Nach zwei Wochen sollte sie Antwort erhalten. Die Präqualifizierung der Apotheken für die Abgabe von Hilfsmitteln „ufert aus“, kritisiert Neuert. Die Produkte aus dem Sortiment zu nehmen, kommt für die Apothekerin nicht in Frage. „Ich habe hier die Kinder, die es benötigen, das geht nicht, alleine für sie mache ich es.“