Steuerberater analysieren Honorare

pDL im Rohertrags-Check Alexander Müller, 01.03.2023 10:42 Uhr

Die Steuerberatungsgesellschaft RST hat sich der Roherträge der pDL genauer angesehen. Foto: RST
Berlin - 

Die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) werden noch nicht in der Breite angeboten, die verfügbaren Mittel beim Nacht- und Notdienstfonds (NNF) werden kaum abgerufen. Weil es sich für die Apotheken nicht lohnt? Die Steuerberatungsgesellschaft RST wollte das genauer wissen und hat Roherträge verglichen. APOTHEKE ADHOC sprach mit Ökonom André Butterweck und Steuerberater Andreas Engeln über Sinn und Wert der pDL.

ADHOC: Wieso bieten so wenige Apotheken pDL an?
ENGELN: Auch wir hatten den Eindruck, dass unsere Mandantschaft sehr zurückhaltend ist beim Anbieten der neuen Dienstleistungen. Die Kernargumente sind häufig dieselben: Neben „keine Zeit“ und „kein Personal“ hören wir immer wieder: „Es lohnt sich nicht.“ Wirklich durchgerechnet haben das aber die Wenigsten. Das unternehmerische Baugefühl ist zwar oft gar nicht so schlecht, wir wollten das Ganze trotzdem einmal etwas analytischer angehen.

ADHOC: Was sind Ihre Erkenntnisse?
BUTTERWECK: Wir haben uns den Deckungsbeitrag (Umsatz ./. Personalkosten) pro Stunde für die fünf verfügbaren pDL angesehen und das mit der „normalen Tätigkeit“ am HV-Tisch verglichen. Die Honorar-Spannweite der pDL reicht von netto 11,20 bis 90 Euro pro Beratung, wir sind von einem Stundensatz von 46 Euro Arbeitgeberkosten für Approbierte und 29 Euro für PTA ausgegangen. Blutdruck messen und die richtige Anwendung von Inhalativa erklären dürfen alle. Führt eine PTA diese pDL durch, liegt der Deckungsbeitrag bei etwa 16,10 beziehungsweise 19,30 Euro pro Stunde, bei Approbierten ist das Blutdruckmessen mit -1,20 Euro sogar defizitär, die Inhalativa-Schulung hält mit etwa 2 Euro gerade noch den Deckungsbeitrag. Die anderen drei pDL dürfen ohnehin nur von Pharmazeut:innen mit zusätzlicher Schulung angeboten werden: Medikationsberatung bei Polymedikation, Betreuung von Organtransplantierten und bei oraler Antitumortherapie. Hier liegt der Deckungsbeitrag bei jeweils 21,50 Euro pro Stunde – das Honorar haben wir jeweils auf eine Stunde heruntergerechnet. Zum Vergleich: Wenn eine PTA in einer Stunde normalerweise neun Kund:innen bedient, liegt der Deckungsbeitrag bei 88,30 Euro, bei Approbierten immer noch bei 71 Euro.

ADHOC: Also stimmt das Bauchgefühl der Inhaber:innen?
BUTTERWECK: Wir halten die pDL grundsätzlich für den richtigen Ansatz. Aus der Image- und Service-Perspektive sowie der Patientenversorgung ist es eine gute Idee, das Leistungsspektrum zu erweitern. Als Abgrenzung zum Versandhandel und für die langfristige Kundenakquise können die pDL daher lukrativ sein. Es muss aber auf der anderen Seite betriebswirtschaftlich sinnvoll sein und da ist gerade der Sand im Getriebe. Wenn die pDL unterdeckt oder deutlich schlechter gestellt sind als die normale Tätigkeit, macht es für die Inhaber:innen keinen Spaß.

ADHOC: Auf das normale Geschäft – Anzahl der Rezepte etc. – haben die Apotheken aber wenig Einfluss. Kann man die pDL nicht als Zusatzgeschäft begreifen?
ENGELN: Natürlich, aber dann kommt wieder die Personalfrage. Die Teams müssten ihre Leerlaufzeiten optimal ausnutzen. Das gut zu planen, ist aber nicht einfach. Bei Medikationsberatungen in einem Pflegeheim lässt sich das noch gut bündeln, im Apothekenalltag ist es schwieriger. Bei einer relativ schwachen Marge muss man idealerweise gut skalieren können. Es bleibt für jeden Inhaber die höchstpersönliche Entscheidung, ob es sich für ihn lohnt, diese Gesundheitsdienstleistungen auszubauen. Nochmal: Der Bedarf ist angesichts einer älter werdenden Gesellschaft da und es ist ein guter Ansatz, um unnötige Krankenhauseinweisungen zu vermeiden. Der Vorstoß ist löblich, der Ansatz, die Kompetenz der Apotheken zu nutzen ist richtig.

ADHOC: Was wäre die Lösung?
BUTTERWECK: Der Stückdeckungsbeitrag müsste höher sein. Es kann doch nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Apotheken noch einen weiteren Service erbringen, der sich betriebswirtschaftlich nicht rechnet.

ADHOC: Bestünde bei einer höheren Vergütung nicht die Gefahr, dass die Mittel schnell ausgeschöpft sind und der Nacht- und Notdienstfonds die Auszahlung nach den gesetzten Prioritäten kürzt? Dann wird der Rohertrag noch schlechter.
BUTTERWECK: Das ist sicherlich richtig. Aber im Moment ist der Topf voll und es stellt sich die Frage, ob die Mittel im nächsten Jahr noch bereitgestellt werden, wenn sie jetzt nicht abgerufen werden. Bei einem durchschnittlichen Umsatz von 59 Euro pro Stunde für die pDL müssten die Apothekenteams 2,5 Millionen Stunden nur damit verbringen, um das Potenzial jährlich auszuschöpfen. Das sind 1500 Vollzeitstellen. Wo sollen die herkommen? Also könnte man im Rahmen des bisherigen Topfes die Leistungsvergütung deutlich erhöhen. Der Gesetzgeber soll hier mal mutig vorangehen.

ADHOC: Wer das Personal hat, kann den Imagegewinn mitnehmen, ist das Ihr Fazit?
ENGELN: Die weichen Nebeneffekte sind wichtig, und sicher wird bei der einen oder anderen pharmazeutischen Dienstleistung der Stolz des Pharmazeuten berührt, sein pharmazeutisches Wissen einzubringen. Aber dann kommt die Erkenntnis des Kaufmanns, dass es sich eigentlich nicht lohnt. Neben der intensiven Vorbereitung und dem zeitlichen Aufwand stellt die Bürokratie eine große Hürde für so manche Apotheke dar. Richtig Hurra schreit da keiner.