Rx-Boni

OLG: Apotheken-Pick-up ist Abgabe Alexander Müller, 17.11.2010 11:51 Uhr

Berlin - 

Apotheken sind aus Sicht des Oberlandesgerichts München (OLG) keine Pick-up-Stellen, wenn sie Arzneimittel im Namen einer anderen Apotheke abgeben, sondern „Empfangsapotheken“. Laut Urteil vom 28. Oktober kommt es darauf an, wer die Arzneimittel an die Kunden übergibt - selbst wenn eine Apotheke in Ungarn kassiert. Das Gericht erlaubte eine entsprechende Kooperation einer bayerischen Apotheke - pocht aber auf die Einhaltung der deutschen Preisvorschriften.

Ähnlich wie bei dem Modell „Vorteil24“ der Montanus-Apotheke in den Niederlanden hatte die Alpen-Apotheke mit Sitz in Freilassing ihren Kunden Preisnachlässe beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel angeboten. Dazu mussten die Kunden ihre Medikamente bei der Europa Apotheke (Európa Gyógyszertár) in Budapest bestellen.

Das OLG wertete dieses Vorgehen nicht als Versandhandel mit Abholstelle in einem Gewerbebetrieb. Vielmehr importiere die bayerischen Apotheke die Arzneimittel selbst. Dies sei innerhalb der EU zulässig. Weil aber arzneimittelrechtlich die deutsche Apotheke die Medikamente an die Kunden abgebe, müsse sie sich an die deutschen Preisvorschriften halten, so das OLG. Barrabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel verstießen gegen das Arzneimittelgesetz (AMG), die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) und gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG).

Dass die Alpen-Apotheke die Arzneimittel nicht im eigenen Namen in Rechnung stellt, sondern nur die Zahlungen für die ungarische Apotheke abwickelt, ändere daran nichts, so das OLG. Schließlich würden die Medikamente an die Apotheke geliefert. Der Kunde habe zu diesem Zeitpunkt dagegen noch keinen Zugriff auf die Arzneimittel.

Der Begriff der Abgabe sei nicht „legaldefiniert“, sondern ergebe sich aus dem Gesetzeszweck: „Demzufolge ist die körperliche Überlassung der Arzneimittel unmittelbar an denjenigen gemeint, der sie für sich verbrauchen will, durch denjenigen, der vor Übergabe an den Verbraucher letztmals Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu prüfen hat. Auf schuld- oder sachenrechtliche Gegebenheiten kommt es in Anbetracht des Gesetzeszwecks nicht an.“


Letztlich verboten haben die OLG-Richter aber nur das Rx-Rabattsystem: Grundsätzlich darf die Alpen-Apotheke demnach für die ungarische Apotheke Bestellungen aufnehmen und die Arzneimittel mit der Rechnung des Partners an die Kunden abgeben. Diese Dienstleistung sei kein „apothekenfremdes“ Geschäft, heißt es im Urteil. Die Konstellation ist laut OLG „arzneimittel- und apothekenrechtlich zulässig“. Inwiefern das zur Länderliste des Bundesgesundheitsministeriums passt, auf der Ungarn nicht geführt ist, war auf Nachfrage beim Gericht nicht zu erfahren.

Ob die Alpen-Apotheke mit dem Modell den Fiskus umgeht, hat das OLG nicht geklärt. Denn steuerrechtliche Vorschriften seien nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) keine Marktverhaltensregeln im Sinne des UWG.

Nur in Sachen Rx-Boni hat das OLG Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Die Frage der Zulässigkeit der Abgabe von aus dem Ausland importierten Arzneimitteln unter Einschaltung einer inländischen „Empfangsapotheke“ sei von grundsätzlicher Bedeutung.