Musterprozess

Null-Retax verstößt gegen das Grundgesetz APOTHEKE ADHOC, 08.06.2012 12:02 Uhr

Berlin - 

Null-Retaxationen wegen Nichtbeachtung der Rabattverträge sind nicht zulässig. Das hatte das Sozialgericht Lübeck bereits Anfang Februar entschieden. In den jetzt vorliegenden Urteilsgründen erklären die Richter, dass Vollabsetzungen gegen die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit verstoßen. Der Musterprozess wird nun vor dem Bundessozialgericht (BSG) fortgesetzt. Das Sozialgericht hatte die sogenannte Sprungrevision zugelassen.

 

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hatte mit dem Verband der Ersatzkassen (vdek) den Musterprozess vereinbart. Stellvertretend streiten ein Apotheker aus Schleswig-Holstein und die Techniker Krankenkasse (TK) vor Gericht. Die Ersatzkassen – mit Ausnahme der Barmer GEK – hatten für den Zeitraum des Verfahrens ein Stillhalteabkommen mit dem DAV vereinbart. Bei Beanstandungen wird bis zu einer letztinstanzlichen Klärung nur der halbe Betrag retaxiert, der Wert ist außerdem gedeckelt.

In dem Musterprozess geht es um ein Rezept über das Originalpräparat Junisac (Rantidin) von Juta Pharma aus dem Jahr 2007 und eine Retaxation in Höhe von 17,49 Euro. Der Apotheker hatte dabei den bestehenden Rabattvertrag über den Wirkstoff Rantidin nicht beachtet. Die TK hatte daraufhin die Erstattung komplett verweigert.

 

 

Das Sozialgericht kassierte die Null-Retaxation mit seiner Entscheidung: Der Apotheker habe mit der Abgabe des verordneten Arzneimittels auch Anspruch auf die Erstattung des Preises. Die TK hätte daher nicht den ganzen Rechnungsbetrag kürzen dürfen, sondern lediglich einen Differenzbetrag wegen der Nichtabgabe eines rabattierten Arzneimittels.

Die Möglichkeit einer Null-Retaxation sei im Sozialgesetzbuch nicht vorgesehen, so die Richter. Auch im Rahmenvertrag sei die Vollabsetzung bei Nichtbeachtung der Rabattverträge nicht aufgeführt. Deshalb sei eine Null-Retax bei erfolgter Belieferung des Rezeptes ein Eingriff in die Berufsfreiheit des Apothekers und damit ein Verstoß gegen das Grundgesetz.

Das Gericht hätte der Kasse eine Retaxierung in Höhe der Differenz zum Rabattarzneimittel erlaubt. Da die TK aber den im Rabattvertrag vereinbarten Preis nicht veröffentlichen konnte, muss sie den vollen Preis erstatten. Eine endgültige Entscheidung in dem Musterprozess fällt das BSG.