Zyto-Skandal

NRW verschärft Apothekenkontrollen Tobias Lau, 17.10.2018 15:24 Uhr

Berlin - 

Apotheker in Nordrhein-Westfalen müssen sich künftig um einiges genauer auf die Finger schauen lassen: Bei einem Treffen mit den Opfervertretern des Bottroper Zyto-Skandals hat Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ein umfassendes Maßnahmenpaket für intensivere Apothekenkontrollen vorgestellt. Auch die lang geforderte Fallkontrollstudie soll nun angefertigt werden.

Heike Benedetti wirkt so zufrieden wie lange nicht mehr. „Wir waren alle äußerst positiv überrascht“, resümiert sie den gestrigen Tag. „Wir“ ist in dem Fall die 14-köpfige Gruppe der Opfervertreter um Benedetti, Christiane Piontek und Martin Porwoll, den Whistleblower, der den Skandal öffentlich machte. Laumann hatte sie zu Gesprächen in sein Ministerium geladen und dabei sein neues Konzept zur Apothekenüberwachung vorgestellt.

„Als erstes hat er zugegeben, dass die Apotheken vor seinem Amtsantritt nicht ausreichend kontrolliert worden waren“, erinnert sich Benedetti an das gut zweistündige Treffen. Deshalb sieht das für alle zuständigen Behörden im Land verbindliche Konzept nun schärfere Kontrollen aller Apotheken in NRW vor, insbesondere für Schwerpunktapotheken.

So finden in jeder Offizin zwischen Rhein und Ruhr künftig einmal im Jahr unangekündigte Personalkontrollen statt. Dabei soll die Anwesenheit von ausreichend pharmazeutischem Fachpersonal in allen Bereichen der jeweiligen Apotheke geprüft werden, kündigt das Ministerium an. Demzufolge entwickeln die nordrhein-westfälischen Apothekerkammern zudem im Moment ein Konzept zur Überprüfung der Warenein- und -ausgänge.

Alle drei Jahre soll dann großer Aufriss gemacht werden: Jede Apotheke muss eine angemeldete, vollständige Revision vor Ort über sich ergehen lassen. Allerdings kann der zeitliche Abstand danach im Rahmen einer Einzelfallprüfung verlängert werden, wenn die Ergebnisse der Inspektionen positiv ausfallen. Wie genau diese Revisionen aussehen werden, muss laut Ministerium erst noch mit den zuständigen Behörden geklärt werden. Es werde dazu eine Verfahrensanweisung erstellt.

Noch genauer soll der Blick auf die 116 Zyto-Apotheken in NRW werden. Alle Schwerpunktapotheken, die Injektions- und Infusionsarzneimittel wie Zytotstatika herstellen, werden künftig mindestens einmal jährlich unangemeldet Proben aus der laufenden Produktion gezogen und amtlich untersucht. Wenn das im Einzelfall nicht möglich ist, können dann auch Rückläufer gezogen werden.

Dasselbe gilt für die Revisionen: In allen Apotheken mit Schwerpunkt auf der Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung sowie mit Schwerpunkt im Bereich des patientenindividuellen Stellens und Verblisterns von Arzneimitteln wird künftig alle zwei Jahre eine unangemeldete Vollrevision durchgeführt. Das alles gelte ausdrücklich für die anlassunabhängige Überwachung. „Soweit ein Anlass vorliegt (zum Beispiel Patientenbeschwerden/Auffälligkeiten), kann die Kontrollfrequenz erhöht werden“, so das Ministerium.

Opfervertreterin Benedetti besonders am Herzen liegt die Fallkontrollstudie, die Laumann ebenfalls angekündigt hat. Professor Dr. Ulrike Haug vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen soll sie leiten und für die beiden Krankheitsbilder Brustkrebs und Leukämie wissenschaftlich belastbare Ergebnisse liefern. Bevor die Untersuchung starten kann, müssen jedoch nocht datenschutzrechtliche Bedenken ausgeräumt werden, mit Ergebnissen sei deshalb nicht vor Ende 2019 zu rechnen.

„Wir haben alle unsere Forderungen erfüllt bekommen, bis auf die Patienteninformation – aber die ist aus datenaschutzrechtlichen Gründen ehr schwierig, das sehe ich ein“, zeigt sich Benedetti zufrieden. „Wenn man bedenkt, dass ein kleines Trüppchen wie wir das durchgesetzt hat, dann kann man da stolz sein.“ Dennoch hinterlässt das Treffen einen Beigeschmack. Zwei Jahre sei gemauert worden. „Jetzt auf einmal klappt alles“, sagt sie ironisch.