Falsche Bescheinigungen gegen Geld

Mutter stiftete Arzt zur Straftat an Alexander Müller, 08.08.2022 14:53 Uhr

Wirklich impfunfähig? Wer den Kinderarzt zum Ausstellen falscher Bescheinigungen anstiftet, handelt selbst strafbar. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Wenn ein Kinderarzt ohne nähere Untersuchung massenhaft und gegen Bezahlung Impfunfähigkeitsbescheinigungen für Kinder ausstellt, macht er sich strafbar. Das Landgericht Nürnberg-Fürth vertritt die Auffassung, dass sich auch die Mutter wegen Anstiftung zur Straftat schuldig gemacht hat.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Kinderarzt Dr. S. Dieser hatte auf seiner Homepage angeboten, Impfunfähigkeitsbescheinigungen für Kinder auszustellen und per Post zu versenden, wenn die Eltern ihm etwaige gesundheitliche Probleme des Kindes schriftlich mitteilen – und einen frankierten Rückumschlag sowie zehn Euro in bar als Vergütung beilegen. Eine persönliche Untersuchung des Kindes durch den Arzt war dabei nicht vorgesehen.

Bei einer Durchsuchung der Praxisräume fand die Polizei mehr als tausend schriftliche Elternanfragen, in denen solche Bescheinigungen bei ihm angefordert wurden. In mindestens 20 Fällen wurde belegt, dass die formularmäßigen Impfunfähigkeitsbescheinigungen tatsächlich ausgestellt und an die Eltern übersandt wurden.

Ein Fall betraf eine Mutter, die solche Bescheinigungen für ihre vier Kinder haben wollte. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren gegen sie ein: Verdacht der Anstiftung zum Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth wurde darum gestritten, ob die Durchsuchung ihrer Wohnung verhältnismäßig war. Schließlich habe sie in ihrer Anfrage an den Arzt die Krankheitsgeschichte der Kinder ausführlich geschildert. Diese hätte der Arzt fachlich prüfen können.

Praxis und Wohnung durchsucht

Das Gericht stellte zunächst fest, dass eine ärztlich ausgestellte Impfunfähigkeitsbescheinigung ein Gesundheitszeugnis im Sinne des Strafgesetzbuches ist (§ 278 StGB). Bei der Durchsuchung der Praxis war auch die E-Mail der Mutter gefunden worden. Es lag daher nahe, dass sie die Impfunfähigkeitsbescheinigungen beauftragt und erhalten hat, ohne dass die Kinder in der knapp 200 km entfernten Arztpraxis vorgestellt worden wären.

Dieser Umstand allein genügt aus Sicht des Gerichts: „Damit ist zwar nicht gesagt, dass die mutmaßlich ausgestellten Impfunfähigkeitsbescheinigungen sachlich falsch sein müssen; vielleicht treffen sie nach den dem Arzt schriftlich geschilderten Krankengeschichten sogar zu. Ein unrichtiges Gesundheitszeugnis liegt aber auch dann vor, wenn der Arzt den Patienten – wie hier der Verdacht besteht – zuvor nicht ordnungsgemäß untersucht hat.“

Anstiftung im Einzelfall

Mit §278 StGB soll nämlich „die Beweiskraft ärztlicher Zeugnisse für Behörden“ gesichert werden. Ein Gesundheitszeugnis ohne vorherige Untersuchung ist demnach mit einem Zeugnis gleichzusetzen, das nach erfolgter Untersuchung falsche Angaben enthält.

Zwar könne im begründeten Einzelfall eine körperliche Untersuchung entbehrlich sein, wenn sich der Arzt auf andere Weise zuverlässig über den Zustand des Patienten unterrichtet hat. Bei der hier vorliegenden „massenhaften und formularmäßigen Abwicklung der Elternanfragen“ sei davon aber nicht ernsthaft auszugehen. Das im Internet beworbene Geschäftsmodell sah nicht einmal Rückfragen vor. Also blieben als Grundlage für die Entscheidung von Dr. S. nur die schriftlichen Mitteilungen der Eltern, „wenn man zu seinen Gunsten unterstellt – was nach der Art des Geschäftsmodells nicht auf der Hand liegt –, dass sie ihn inhaltlich überhaupt interessierten“. Fazit des Gerichts: „Das reicht nicht.“

Weil die Mutter Dr. S. zum Ausstellen der Impfunfähigkeitsbescheinigungen aufforderte, machte sie sich laut Gericht der Anstiftung schuldig. Denn der Arzt sei vor der Aufforderung „lediglich allgemein tatgeneigt“ gewesen. Im Strafrecht kann man nicht zu einer Tat angestiftet werden, zu der man ohnehin fest entschlossen ist (omnimodo facturus). Das war hier im Einzelfall ja gar nicht möglich ohne die konkrete Anfrage der Eltern. Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung bei der beschuldigten Mutter hatte die Kammer auch nicht.