Nadelöhr Deutsch

Langer Atem: Ukrainer:innen auf Sprachkurssuche Alexandra Negt, 26.06.2022 19:37 Uhr

Ohne Deutschkenntnisse ist die Arbeit im HV nicht möglich – sowohl praktisch als auch rechtlich. Bis zur erfolgreichen Kenntnisprüfung dauert es allerdings zwei bis drei Jahre. Foto: makasana photo/Shutterstock.com
Berlin - 

Der Krieg in der Ukraine hält an. Viele, die über Polen nach Deutschland flüchten, wollen so schnell wie möglich arbeiten. Unter den Flüchtenden sind auch Apotheker:innen, die ohne Deutschkenntnisse die erforderliche Kenntnisprüfung jedoch nicht ablegen können. Das Angebot an Sprachkursen ist breit gefächert, doch das Finden des passenden Angebots ist mit fehlenden Deutschkentnissen nicht immer einfach. Wie unterstützen eigentlich die Kammern?

Apotheker:innen sind bundesweit Mangelware. Viele Inhaber:innen würden sich freuen schnellstmöglich eine/n neue/n Kolleg:in begrüßen zu dürfen. Die ankommenden Ukrainer:innen können aber wohl nicht so schnell unterstützen, wie sich das viele gerne wünschen würden. Denn wie alle Heilberufler:innen müssen auch ukrainische Apotheker:innen eine Sprachprüfung ablegen. Hierbei reicht eine normale Sprachprüfung nicht aus. Die Anwärter:innen müssen eine spezielle Fachsprachenprüfung ablegen – und das dauert.

Kammern bieten erste Orientierung

Um in einer deutschen Apotheke arbeiten zu können, müssen ausreichend gute Deutschkenntnisse vorliegen. Die aktuell aus der Ukraine flüchtenden Apotheker:innen benötigen in den allermeisten Fällen einen Sprachkurs. Solange die Approbation nicht anerkannt ist oder keine Berufserlaubnis erteilt wurde, sieht es mit dem Arbeiten im HV schlecht aus. Um schnellstmöglich als Apotheker:in tätig werden zu können, sollten sich die Betroffenen an die jeweils zuständige Apothekerkammer wenden. Zwar geht jede Kammer anders mit dem Thema um; eine erste Hilfestellung sowie wichtige Tipps und Hinweise, an wen sich die Ukrainer:innen wenden können, bieten jedoch alle.

Zur Erinnerung: Apotheker:innen, die im Ausland ihren Abschluss gemacht haben und nun in Deutschland arbeiten wollen, benötigen die staatliche Anerkennung seitens der zuständigen Behörde. Für die Anerkennung von Apothekerausbildungen und die Erteilung der Approbation sind je nach Bundesland unterschiedliche Behörden zuständig. Einige Kammern bieten Vorbereitungskurse für die Kenntnisprüfung an oder vermitteln Unternehmen oder Institute, die passende Angebote im Portfolio haben. Es geht vor allem darum, rechtliche Inhalte und praktische Themen nachzuschulen. Deutsches Apothekenrecht unterscheidet sich teilweise stark von geltendem Recht in anderen Ländern. Grob gesagt entspricht die Kenntnisprüfung dem 3. Staatsexamen. Die Apotheker:innen sollten innerhalb des Fachvokabulars – also für die beratende Tätigkeit – das Sprachniveau C1 aufweisen.

2 bis 3 Jahre dauert der Prozess

In Rheinland-Pfalz bietet die Kammer ein umfassendes Angebot für alle Flüchtlinge. „Doch der Weg bleibt lang“, erläutert ein Sprecher. „Aus Erfahrung können wir sagen, dass es bis zu Anerkennung der Approbation rund zwei Jahre dauert.“ Häufig sprechen die Ukrainer:innen auch kein Englisch, was vor allem die anfängliche Kommunikation erschwert. „Was natürlich geht, ist das Erlangen einer berufsbedingten Arbeitserlaubnis unter Aufsicht“, erläutert der Sprecher. Nach einer Sprachprüfung könnten ukrainische Apotheker:innen demnach Aufgaben im Backoffice-bereich wahrnehmen. „Das Arbeiten im Labor und der Rezeptur ist ebenfalls oftmals eine Übergangslösung, bis die Sprachkenntnisse gut genug sind.“ Ein Apothekergehalt wird unter diesen Umständen wohl in den wenigsten Fällen gezahlt. Theoretisch könnten, gibt die Kammer zu bedenken, diese Arbeitskräfte zum Mindestlohn eingestellt werden. Und leider komme es in der Praxis auch dazu. „Die erste Barriere im HV ist und bleibt aber nun mal die Sprache. Wer auf deutsch nicht beraten kann, der kann nach den Regeln nun einmal nicht für Beratungsgespräche eingeteilt werden.“

Und auch in Thüringen weist man darauf hin, dass es bis zum Bestehen der Kenntnissprüfung bis zu drei Jahre dauern kann. Die Landesapothekerkammer arbeitet hierbei mit dem IQ-Netzwerk zusammen. Inzwischen läuft der siebte Integrationskurs, der Pharmazeut:innen aus Drittstaaten bei der Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung nach AAppO hilft. „Neben der Anerkennung der Ausbildung müssen sich die Betroffenen auch um einen Sprachkurs und einen Abschluss der Fachsprachenprüfung kümmern“, erläutert eine Sprecherin von Knoten Weimar. Das Unternehmen bietet die IQ-Maßnahme „Apo-Online Professional“ an. Die Maßnahme beinhaltet einen kostenfreien Vorbereitungskurs zur Kenntnisprüfung für Apotheker:innen mit ausländischem Hochschulabschluss. „Die Kurse finden in vielen Bundesländern seit Corona online statt. Einzelne Präsenztermine sollen dann noch individuelle Defizite ausräumen“, erläutert die Sprecherin. „Apotheker:innen müssen die deutsche Sprache gut beherrschen, so kann das Niveau der Fachsprachenprüfung mit einem C1-Niveau verglichen werden. Bei Bestehen der Prüfung erhält der Absolvent jedoch kein C1-Zertifikat, denn die Sprache wurde lediglich im Fachbereich geprüft.“

Disziplin allein reicht nicht aus

Und am Ende hapert es für den schnellen Einsatz in der Offizin oft an Formalitäten. „Leider sind die Ämter nicht immer schnell in der Bearbeitung von Anträgen.“ In Thüringen gibt es demnach Fälle, da sind die Absolventen in ein anderes Bundesland nahe der thüringischen Grenze gezogen, da die Bearbeitung dort schneller vonstatten ging. Denn der Großteil der Apotheker:innen findet schnell eine Anstellung. Apotheker:innen sind immerhin bundesweit Mangelware.

Die Kammer Nordrhein hat eine eigene Landingpage mit Hilfsangeboten für Ukrainer:innen erstellt. Wer eine telefonische Beratung wünscht, kann jederzeit gerne anrufen. So teilt ein Sprecher mit: „Kammer und Verband in Nordrhein halten Augen und Ohren offen, und wir helfen, wo wir können – sei es über action medeor oder ganz konkrete Hilfe im Einzelfall.“

Während einige Kammern sich bereits intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben, wie sie ukrainischen Apotheker:innen oder anderen in der Apotheke arbeitenden Menschen die nach Deutschland kommen, spielt es in anderen Kammern keine Rolle. So teilt die Landesapothekerkammer Sachsen mit: „Bisher sind in unserem Kammerbereich noch keine ukrainischen Apothekerinnen und Apotheker mit dem Anliegen der Vermittlung eines Sprachkurses an uns herangetreten, deshalb ergab sich bisher keine Notwendigkeit eines entsprechenden Angebotes, einer Vermittlung oder Ähnlichem.“

Vielleicht doch lieber Backoffice

Einige Kammern oder Zentren für Sprachkurse weisen auch darauf hin, dass viele der aktuell in Deutschland arbeitssuchenden Ukrainer:innen nach Ende des Krieges zurückkehren wollen. Die Frauen haben zumeist einen Partner oder Ehemann in der Ukraine. Deutschland sei nur eine Zwischenstation. Wie viele Apotheker:innen also tatsächlich den Weg von zwei bis drei Jahren auf sich nehmen, bleibt fraglich. Wahrscheinlicher ist wohl die Aufnahme einer nicht-pharmazeutischen Tätigkeit in der Apotheke.