Rabattverträge

Kassen konkurrieren um Rabattprodukte Patrick Hollstein, 25.05.2011 10:49 Uhr

Berlin - 

Ab kommendem Mittwoch wird es turbulent in den Apotheken. Millionen AOK-Versicherte müssen auf neue Rabattarzneimittel umgestellt werden. Zwar wollen die AOKen angesichts erwarteter Lieferengpässe zunächst nicht retaxieren, wenn die Vertragspartner nicht abgegeben werden. Doch andere Kassen, die ebenfalls betroffen sein könnten, pochen auf die Einhaltung ihrer Verträge. Im Zweifelsfall müssen die Apothekenmitarbeiter entscheiden, welche Vereinbarung bedient wird.

Bis Ende Juli läuft die Friedenspflicht, die AOK-Rabattchef Dr. Christopher Hermann mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) ausgehandelt hat. Bis dahin können auch andere Produkte abgegeben werden; mögliche Lieferausfälle bei den Rabattpräparaten müssen nicht dokumentiert werden. Sollte es danach weiter zu Problemen kommen, will der DAV auf eine Verlängerung der Vereinbarung dringen.

Das könnte unter Umständen nötig werden: Denn für die Hersteller gilt die vertraglich vereinbarte Friedenspflicht bis Ende August. Vertragsstrafen wegen Nichtverfügbarkeit gibt es erst, wenn ein Rabattarzneimittel mehr als 20 Werktage nach Ablauf nicht lieferfähig ist, also ab dem 24. September.

Andere Probleme könnten sich aber auch kurzfristig ergeben, da eine ganze Reihe der neuen AOK-Rabattpartner auch Verträge mit anderen Krankenkassen hat: So ist Dexcel nicht nur bei der AOK, sondern auch bei der Techniker Krankenkasse (TK) Exklusivlieferant für Amlodipin und Metformin. Winthrop steht bei beiden Kassen als alleiniger Vertragspartner mit Alfuzosin, Amisulpirid, Finasterid, Glimepirid, Ibuprofen, Ramipril und Roxithromycin in der Pflicht, Betapharm mit Ranitidin und Simvastatin, Basics mit Tamsulosin. Die Ratiopharm/Teva-Gruppe hat bei beiden Kassen exklusive Zuschläge für Bisoprolol, Aliud für Citalopram.


Ob die Kombination aus acht Millionen TK-Versicherten plus 24 Millionen AOK-Versicherten zu Synergien bei den Herstellern führt oder doch kurzfristig die Kapazitäten übersteigt, bleibt abzuwarten. Letzteres könnte problematisch werden, denn weder über die Apotheken noch über die Großhändler lässt sich steuern, dass die doppelt belegten Wirkstoffe während der AOK-Friedenspflicht vorrangig an TK-Patienten abgegeben werden. Die ersten betroffenen Hersteller denken bereits über eine Kontingentierung nach.

Bei der TK scheint man jedenfalls nicht gewillt, wegen der AOK zurückzustecken: „Unsere Verträge gelten und müssen umgesetzt werden“, sagt ein Sprecher der Kasse. Man sei sich der Probleme bewusst, werde aber genau hinschauen, wie die eigenen Verträge umgesetzt werden und wie gegebenenfalls zu reagieren sei.

Bei anderen Kassen, etwa der DAK oder den Betriebskrankenkassen, haben zwar jeweils mehrere Hersteller Zuschläge erhalten. Doch auch hier sind die AOK-Rabattpartner regelmäßig mit vertreten. Ist ein Wirkstoff also in den kommenden Wochen defekt, muss ein Patient, der auf diesen eingestellt ist, unter Umständen vorübergehend umgestellt werden.

Begeistert ist man auch bei diesen Kassen nicht, aber zumindest zuversichtlich, dass ein anderer Partner abgegeben werden kann. Insofern sieht man keine größeren Probleme und hat keine besonderen Ausnahmen vorgesehen.

Allerdings gibt es auch hier besondere Fälle: Bei der DAK etwa gehören alle drei Vertragspartner für Bisoprolol zur Ratiopharm-Gruppe, die auch bei der AOK gewonnen hat. Ähnlich sieht es mit der Kombination Stada/Aliud und UCB bei ISDN aus. „Unsere Verträge bestehen länger und haben sich eingespielt. Die Apotheker wissen, welche Mengen nachgefragt werden“, sagt ein DAK-Sprecher.

Der DAV will sich nach Angaben eines Sprechers mit allen betroffenen Kassen um eine Verständigung, zum Beispiel durch eine Friedenspflicht, bemühen: „Die AOK war einsichtig und hat ein Interesse daran, ihre Versicherten nicht auflaufen zu lassen. Wir werden uns die Lage auch bei anderen Kassen anschauen und bei Bedarf sofort einschreiten und laut geben.“