ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Impfnacht: Apotheke spielt Berghain 11.10.2025 08:28 Uhr

Berlin - 

Die „Lange Nacht des Impfens“ ist buchstäblich von vorvorgestern – zumindest für einen Inhaber aus Schleswig-Holstein. Zwar trat der mit seinem Team auch in diesem Jahr an – doch der Termin war für ihn nur die Kür. Das nächtliche Impfen hat er in seiner Apotheke längst perfektioniert.

Die Apotheke im MVZ St. Christophorus im schleswig-holsteinischen Lohe-Rickelshof wirkt von außen unscheinbar – doch weit gefehlt. Drinnen läuft ein Betrieb, der längst mehr an ein Dauereinsatzkommando erinnert. Inhaber Rolf-Dieter Haberkorn sammelt die Müdigkeit seiner Kolleg:innen für seine eigene Heldensaga. Für ihn ist es Alltag – geboren aus jener legendären „Langen Nacht des Impfens“, die er heute als Gründungsmythos seines Nachtbetriebs erzählt. Über die jährliche Aktion kann er nur noch müde lächeln: „Wir nennen das Mittwoch.“

Haberkorn sieht sich als modernen Batman – mit Approbation. Wenn es ernst wird, richtet er den Projektor auf die Wolken über Schleswig-Holstein: kein Fledermaus-Schatten, sondern die Silhouette seiner selbst. Tagsüber rettet er das Gesundheitssystem – und nachts … rettet er das Gesundheitssystem auch. Unter den 385 teilnehmenden Institutionen waren in diesem Jahr nur 14 Arztpraxen oder Gesundheitsämter. „Die Impflücke können nur wir Apotheken schließen“, da ist sich der Dienstleistungspionier sicher.

Mit dem offiziellen Ladenschluss um 18 Uhr vollzieht sich jeden Tag aufs Neue ein mystischer Wandel in Haberkorns Offizin: Die unscheinbare Beratungstür gleitet wie von Zauberhand auf und gibt den Blick auf eine rudimentäre Passage mit Übervorratscharakter frei, an deren Ende eine Person mit Kittel und Klemmbrett eine massive Tür bewacht. Über ihr: eine Diskokugel. Bei dem Arbeitspensum muss die Stimmung hochgehalten werden.

Auf dem Boden breitet sich ein dichter Nebel aus – der lässt sich zwar durch die offen stehende Kühlschranktür erklären (und macht das nervtötende Piepsen plausibel) – aber das tut hier nichts zur Sache. „Ja, also wir haben einfach einen Durchbruch zur leerstehenden Proktologenpraxis gemacht“, erklärt Haberkorn trocken. „Meine Chef-PKA Frau Miesewetter macht hier die Tür.“

Kein Zutritt ohne Impfbuch

Das Ganze hat etwas von dem Hinterzimmer eines Tante-Emma-Ladens, in dem die örtliche Wahrsagerin Zukunft, Heirat und Geldsegen vorhersagt. Nur, dass hier keine Tarotkarten auf dem Tisch liegen, sondern stapelweise Anamnesebögen.

Die PKA ist so humorlos und knallhart wie ihr Nachname vermuten lässt: Kein Einlass ohne ausgefülltem Formular, kein Zutritt ohne Impfbuch. Wer keins hat, kann es zwar in der Apotheke erwerben – aber nur während der Öffnungszeiten am Tag. „Wir sind hier ein ordentlicher Betrieb“, betont Haberkorn mit entwaffnender Selbstverständlichkeit.

Bedächtig wie eine Osterprozession bildet sie sich dann: die Warteschlange. Sie zieht sich quer durch die Apotheke, mäandert bis hinaus auf den Gehweg – die Impfwilligen werden angezogen wie Motten vom Licht. Die Apotheke wandelt sich zum Berghain von Lohe-Rickelshof: Alle wollen rein, doch nicht jeder kommt durch.

Hier, im Zwielicht, treffen sich die unterschiedlichsten Gestalten: Der aktuelle Platz 4 spielt den Pressesprecher der Schlange in so amtlichem Tonfall, dass man meint, gleich gehe eine Bundespressekonferenz los. Platz 7 führt eine „Hitliste der Impfreaktionen“: Arm tut weh ist Nummer 1, Schüttelfrost ein Überraschungsaufsteiger. Zwischen Platz 9 und 10 betreiben zwei ältere Damen eine improvisierte Tauschbörse für Kugelschreiber, damit auch ja jeder seinen Anamnesebogen ausfüllen kann.

Und dann kommt Platz 11. Dort lungert der Mann, der unerlaubt mit leeren Impfbüchern dealt. Natürlich nur für jene, die ihres vergessen haben – hier gilt ein Ehrenkodex. „In dieser Szene zählt nur der echte Pieks“, raunt er verschroben. Wer betrügt, fliegt raus, schneller, als man „Biontech oder Moderna“ sagen kann. Sein Handlanger sitzt strategisch weiter vorn auf Platz 3. Er ist für die Kundschaft zuständig, die noch zögert oder zu spät bemerkt, dass das Impfbuch auf der Mikrowelle liegen geblieben ist.

Drinnen klackern die Nacht-und-Not-PTA – eine neue Berufsbezeichnung, die Haberkorn eingeführt hat – Spritzen wie Shaker, aber: Ausschenken bleibt Chefsache. Shots verteilen geht nur mit Approbation. Der Inhaber verabreicht ihn selbst, exklusiv wie einen Hauscocktail. Früher ging man nachts zum Feiern raus – heute verabredet man sich vor der Apotheke im MVZ.

Prävention mit Trefferquote

Warum die Leute überhaupt kommen? Kostenlose Kaltgetränke? Sticker fürs Bonusheft? Gutscheine für den 24/7-Kiosk? Fast. „Bei uns gibt es eine exklusive Sichtwahl,“ erklärt Haberkorn. Dieser Mini-Jahrmarkt mit magnetischer Kundenwirkung funktioniert so: Wer seinen Impfpass am Spezial-HV vorzeigt, bekommt einen Plüschball. Mit dem darf er direkt auf die Sichtwahl zielen. Ein Pieks, ein Wurf, mehr nicht – die Zeiten sind bekanntlich hart.

Im Angebot: Hustensaft, Nasenspray, Multivitaminpräparate oder – Hauptpreis – Kollagengetränke mit Marzipangeschmack. Und wenn man dann völlig erschöpft vom Impftermin aus der Apotheke stolpert, drückt einem die PTA noch eine Brat- oder Veggiewurst in die Hand.

Haberkorn nennt das trocken „Prävention mit Trefferquote“ – und ist fest entschlossen, sich diesen Slogan patentieren zu lassen. Überhaupt: Er hat große Pläne. Sein Traum: eine eigene Marke. Ein Name muss her, etwas Knackiges, wie bei Friseursalons. Etwas, das im Gedächtnis bleibt. „Stichpunkt“, „Pieksperience“ oder „Shot Happens“. Der Apotheker ist sich sicher: „Man wird noch von mir hören.“

Tatsächlich nahmen von 385 Institutionen bei der diesjährigen „Langen Nacht des Impfens“ nur 14 Arztpraxen oder Gesundheitsämter teil – den Rest stemmten die Vor-Ort-Apotheken. Darunter: die Falken-Apotheke in Blankenfelde-Mahlow: „Mit solchem Ansturm hat niemand gerechnet“, freute sich Inhaberin Nadine Sinnhöfer. Auch Dominik Herzog aus Neckargemünd bestätigte: „Generell läuft das Thema Impfen bei uns in der Apotheke extrem gut.“

Ein Großbrand im Freiburger Stadtteil Hochdorf hat das Phoenix-Vertriebszentrum vollständig zerstört, verletzt wurde niemand. Laut Polizei liegt der Schaden bei mindestens 50 Millionen Euro, die Arzneimittelversorgung der Apotheken werde durch andere Standorte gesichert. Großhändler Gehe hingegen stoppte die Belieferung der Stern-Apotheke in Magdeburg, weil angeblich zu viel Ware bestellt wurde. Inhaber Boris Osmann spricht von fahrlässigem Vorgehen und warnt vor Gefahren für die Patientenversorgung.

Neue Shop Apotheke-Werbung wegen Promitrennung? Moderatorin und Shop-Apotheke-Testimonial Collien Ulmen-Fernandes stellte in dieser Woche klar, dass der Versender rechtzeitig über die Trennung von Christian Ulmen informiert wurde und die Kampagne unabhängig davon entstanden sei.

In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende!