Arzneimittelrecht

GKV: Stückeln ist Abrechnungsbetrug Désirée Kietzmann, 08.07.2009 10:57 Uhr

Berlin - 

Der Bericht des ARD-Magazins „report München“ zur Praxis des „Stückelns“ hat zahlreiche Apotheker in ganz Deutschland verunsichert. Das Bündeln von Packungen zu einer größeren Einheit verstößt nach Meinung von Experten gegen eine Reihe arzneimittel- und sozialrechtlicher Vorschriften.

So müssen laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) die abgegeben Arzneimittel der Verschreibung und den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches entsprechen. Es darf also nur das verordnete oder das nach Rahmenvertrag zu substituierende Arzneimittel abgegeben werden.

Dokumentiert wird die korrekte Abgabe durch den Aufdruck der Pharmazentralnummer (PZN) des abgebenen Arzneimittels. Die Nennung des richtigen Kennzeichens ist sowohl in der ApBetrO als auch in den Abrechnungsbestimmungen nach Sozialgesetzbuch V sowie im Rahmenvertrag vorgeschrieben.

Die PZNs dienen den Kassen zur Kontrolle der Abgabe und können bei Verstößen Grundlage für Retaxationen sein. Die korrekte Angabe ist jedoch auch aus Gründen der Arzneimittelsicherheit wichtig: Denn bei Rückrufen werden die betroffenen Patienten in der Regel anhand der bedruckten Rezepte ausfindig gemacht.

Mit Hilfe der PZNs wird auch die Höhe des Herstellerrabattes ermittelt, den die Pharmaunternehmen den Kassen erstatten müssen. Stückelt die Apotheke, druckt aber die Großpackung auf das Rezept, zahlt der Hersteller für ein Medikament, das er nie verkauft hat. Diese Abweichungen zwischen vermeintlichem Abgabe- und tatsächlichem Bestellverhalten fallen beim Hersteller über kurz oder lang auf - und wurden in der Vergangenheit auch bereits verfolgt.

Durch die beim Stückeln erzielte Gewinne werden auch die durch die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisVO) gesetzlich definierten Apothekenmargen verändert. Um dies zu verhindern, hatte der Gesetzgeber 2006 im Heilmittelwerbegesetz ein umfassendes Rabattverbot verankert. Barrabatte dürfen seither nur noch im Umfang der Großhandelsmarge erzielt werden.

Für die Krankenkassen ist die Rechtslage daher klar. Wenn Apotheker so wie im ARD-Beitrag gezeigt vorgingen, „handelt es sich um Abrechnungsbetrug“, sagte eine Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes gegenüber APOTHEKE ADHOC. Nach den Arzneilieferverträgen haben die Kassen das Recht auf korrekte Rechnungslegung. Doch durch den Aufdruck eines Arzneimittels, das nicht abgegeben wurde, wird Juristen zufolge den Krankenkassen gegenüber bewusst ein Irrtum erzeugt.

Eine Stückelung habe der Gesetzgeber nur vorgesehen, wenn der Arzt eine Stückzahl verordnet, die nicht mit einer am Markt befindlichen Packungsgröße übereinstimmt, und in Notsituationen, wenn eine bestimmte Packungsgröße nicht verfügbar ist, so die GKV-Sprecherin.

Zum Ausmaß konnten die Kassen bislang keine Angaben machen. „Aufgrund der gültigen Einkaufspreise und der damit verbundenen Handelsmarge kann man davon ausgehen, dass eine Stückelung theoretisch überall dort vorkommen kann, wo der Einkaufspreis der kleineren Packungen günstiger ist als der von Großpackungen“, sagte die GKV-Sprecherin. Belege habe man jedoch nicht.

Das Problem der Kassen: Sie sehen nur die Abrechnungsdaten, aber nicht was tatsächlich abgegeben wurde. Ein juristisches Vorgehen gegen die Praktiken sei aufgrund der fehlenden Beweise schwierig, „aber nicht völlig unmöglich“. Spielen Versicherte und Staatsanwaltschaft mit, könnte der Sprecherin zufolge eine Beweiskette aufgebaut werden.

Bei der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände nimmt man die Vorgänge eigenen Angaben zufolge ernst. „Wir müssen uns an Recht und Ordnung halten“, erklärte ein Sprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC. Die ABDA wendet sich aber gegen eine pauschale Verurteilung der Apotheker. Es müsse Fall für Fall begutachtet werden.

In der Jägerstraße fordert man aber auch, dass alles, was zu „fehlerhaftem Verhalten führen kann“, abgestellt wird. Insbesondere sieht man die Softwarehersteller in der Pflicht: Bislang weisen die Programme bei der Bestellung einer Großpackung aus, wenn die Abgabe mehrerer kleiner Schachteln günstiger ist.

Zudem kritisierte die ABDA die Preisbildungs- und Marketingpolitik der Hersteller. Diese wollten sich auf Nachfrage nicht zu der Problematik äußern.