Inhaber setzen auf lokale Plattform

Frankenarznei24: Apotheker bauen ihr eigenes Gesund.de APOTHEKE ADHOC, 16.03.2022 15:07 Uhr

Aus der Apotheke für die Apotheke: Inhaber Dr. Werner Vogelhuber hat mit acht befreundeten Kollegen eine eigene, lokale Plattform entwickelt. Foto: Sankt Ulrich Apotheke Nürnberg
Berlin - 

In Nürnberg und Umgebung bauen 24 Apotheken ihre eigene Plattform: Unter dem Namen Frankenarznei24 haben sich neun Inhaberinnen und Inhaber zusammengeschlossen und eine App entwickelt, die ihren lokalen Bedürfnissen entspricht. Über eine der großen Plattformen bundesweit von Kunden gesehen zu werden, sei es für einen lokalen Versorger wie eine Apotheke nicht wert, sich von großen Anbietern mit eigenen Interessen abhängig zu machen.

Plattformökonomie ist oft ein Rattenrennen. Eine Reihe von Anbietern kämpft um die Pole Position und am Ende heißt es: The winner takes it all. Zumindest je Branche etabliert sich zumeist ein großer Anbieter, die weiteren gehen unter oder fristen ein Schattendasein – samt der Investitionen, die in sie getätigt wurden. Ob es in der Apothekenbranche auch so kommt und wer letztlich der große Platzhirsch wird, ist noch nicht raus. Bewerber gibt es jedenfalls schon viele, von Gesund.de bis zu den Versenderplattformen – und der DAV will mit seiner Gedisa auch irgendwann noch mitmischen. Apotheken stehen dann vor der Suche nach der richtigen Strategie: Sollen sie auf eine Plattform setzen und möglicherweise Kundenpotenziale liegen lassen? Oder sollen sie sich auf allen platzieren, aber dann die entsprechende Höhe an Gebühren für alle Anbieter aufbringen?

Zwei Dutzend Apotheken in Nürnberg und Umgebung gehen da einen dritten Weg: Sie wollen sich nicht an einem möglichen Rattenrennen um die bundesweite Marktmacht beteiligen und bauen sich ihre Plattform einfach selbst. Geboren wurde die Idee aus der Unzufriedenheit: „Wir sind eine Gruppe von Apothekern, die sich schon teilweise seit 15 Jahren und länger kennen. Das sind Freundschaften, die es schon unabhängig von den Apotheken gab und die durch sie noch enger wurden“, erzählt Dr. Werner Vogelhuber, der gemeinsam mit seiner Frau Kirstin sechs Apotheken beisteuert. „Außerdem nutzen wir alle die EDV von ADG, da hat man ja im Moment immer noch die App DeineApotheke. Das war der Ausgangspunkt.“

Denn die App werde zwar gut von den Kunden abgenommen – „aber DeineApotheke und CallMyApo wird ja der Saft abgedreht“, sagt er. Beide gehen in Gesund.de auf. Damit waren Vogelhuber und seine Kollegen jedoch überhaupt nicht zufrieden. „Wir haben uns mit gesund.de nicht wohlgefühlt“, so Vogelhuber. „Das geht in eine Richtung, bei der den Apotheken alles übergestülpt wird, und es gibt Auffassungen des Betreibers, mit denen wir nicht einverstanden sind.“

Ein Problem sei dabei weniger der Grundpreis als vielmehr die Kosten pro Bestellung im Shop. Doch Vogelhuber und seine Kollegen haben noch viel grundlegendere Einwände: Eine zentrale Plattform für ganz Deutschland sei im kleinteiligen und lokalen Apothekenmarkt nicht nötig. „Was nützt es mir denn, wenn Kunden in München meine Apotheke angezeigt bekommen?“, so Vogelhuber. Auch anderen Plattformen hätten sie sich nicht anschließen wollen. „Dann zahlt man immer für den Betreiber und dessen strategische Entscheidungen – und am Ende kann es ein Zuschussgeschäft sein.“

Ganz ohne gehe es aber auch nicht, waren sie sich einig. „An den Impfzertifikaten hat man es doch gesehen: Ich hätte es vorher nie für möglich gehalten, dass 70-jährige Kundinnen in meine Apotheke kommen und darauf bestehen, die digital zu erhalten. Früher hätte ich gedacht, die sind froh, wenn sie ihren Ausdruck behalten können“, erzählt er. „Da sieht man, was da geht. Und das Ganze wird durch das E-Rezept noch massiv befeuert. Wenn man heute eine moderne Apotheke sein will, gehört eine App einfach dazu.“ Wenn es keine passende App gibt, man aber eine braucht, dann macht man sich eben selbst eine. Im vergangenen Sommer setzten sich Vogelhuber und seine Kollegen – Daniel Sauer mit seinen vier Apotheken, Reinhard Wörlein mit zwei, Bernahrd Atzler mit einer, das Ehepaar Alexander und Kathrin Auer mit zusammen sechs Apotheken, Steffi Nettersheim mit zwei und Martin Scholl mit drei Apotheken – deshalb zusammen und machten einen Plan.

Frankenarznei24 war geboren – ein lokales Gegenmodell zu gesund.de in Eigenregie. Eigentlich hätte die App bereits Ende des Jahres in den Stores sein sollen, doch IT-Projekte in Corona-Zeiten zu stemmen und die dafür notwendigen Dienstleister aufzutreiben, ist kein Kinderspiel. Seit gut zwei Wochen ist es aber so weit: Die App ist verfügbar. „Im Appstore klappt es einwandfrei, im Playstore ist es noch etwas schwierig, sie zu finden. Wir sind aber gerade dabei, solche kleinen Kinderkrankheiten auszumerzen“, sagt Vogelhuber. „Aber wir können uns im Moment damit behelfen, den Kunden QR-Codes zu geben, mit denen sie direkt auf der Downloadseite landen.“ Das Leistungsspektrum entspricht ungefähr dem, was der Kunde auch bei gesund.de und anderen Plattformen bekommt: Bestellung, E-Rezept-Scan, Rezeptversand per Foto, Medikamentenlisten samt Einnahmeerinnerung, Beipackzettel, Push-Benachrichtigungen für abholbereite Bestellungen, Notdienstfinder samt Standortsuche. „Wenn man ehrlich ist, ist das nichts Neues, das meiste gibt es schon. Aber es ist eben auch nur genau das, was wir für unsere Apotheken lokal brauchen. Die Überlegungen zur App gehen von der einzelnen Apotheke aus: Ich sitze hier in Nürnberg und will die Kunden im Umkreis von einigen Kilometern versorgen.“

Um die App gemeinsam betreiben zu können, haben Vogelreuter und seine Freunde eine eigene Gesellschaft gegründet, die Frankenarznei24 GbR. Das mache es einfacher, strukturiert an der App zu arbeiten und die Zügel in der Hand zu halten – auch mit Blick auf die Kosten. So lasse sich vermeiden, dass die ungewollt aus dem Ruder laufen. „Wir sind alle Gesellschafter und haben uns verpflichtet, Beiträge in die Gesellschaft einzuzahlen, die dann hauptsächlich für das Marketing aufgebracht werden sollen“, erklärt er. „Das sind also alles recht praktische Erwägungen: Wir wollen nicht jedes Mal alle an einem Tisch sitzen müssen. Wenn man so etwas bewerben will, braucht man ja auch Geld und wenn mehrere Inhaber beteiligt sind, wer verwaltet das dann?“ Diese Aufgabe liegt nun in den Händen der drei Geschäftsführer Vogelhuber, Sauer und Atzler. „Unsere Hauptarbeit bleiben aber natürlich unsere Apotheken.“

Nach dem erfolgreichen Launch und der Beseitigung der letzten kleinen Probleme wollen die Neun von Frankenarznei nun bald mit dem Marketing loslegen und konsequent die lokale Bevölkerung bedienen, daher auch der Name. „Der spielt eine entscheidende Rolle. Wenn der Kunde an einer Werbung vorbeigeht und nur ein nichtssagendes Kunstwort liest, bleibt das nicht hängen, weil er keinen Bezug dazu hat“, sagt Vogelhuber. „Beim Begriff Frankenarznei ist gleich eine Identifikation da.“ Geplant sei ein Marketingmix aus Plakatwerbung, Social Media, lokaler Radio- und auch Kinowerbung. „Das ist teilweise günstiger als man denkt und wir haben hier in Nürnberg einen großen lokalen Betreiber.“

Für die Kunden soll die App kostenlos bleiben. „Wir sehen das als Dienstleistung für den Kunden, denn es kommt eine neue Generation, die das einfach erwartet und die wir bedienen müssen.“ Auch sei der Kreis der Teilnehmer nicht in Stein gemeißelt – Vogelhuber betont, dass sie durchaus für weitere Interessenten im Umfeld offenständen. „Jetzt werden da 24 Apotheken in und um Nürnberg angezeigt, es können aber gern auch irgendwann 50 oder 60 sein.“