Fehlermanagement

Faktencheck: Richtig reagieren bei Abgabefehlern APOTHEKE ADHOC, 14.07.2017 09:55 Uhr

Geht bei der Abgabe in der Apotheke etwas schief, gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und das Fehlermanagement zu beherrschen. Montage: APOTHEKE ADHOC, Foto: Marcus Witte
Berlin - 

Ist in der Apotheke ein Fehler passiert, liegen schnell die Nerven blank. Oberster Grundsatz in solchen Fällen ist: Ruhe bewahren. Was ist zuerst zu tun, was später? Was sollte man wem sagen, welche Nachweise sollte man sichern? Die wichtigsten Fakten im Schnellcheck.

Wie sollte man reagieren, wenn ein Fehler vermutet wird?
Zunächst gilt es, den Fall genau zu prüfen und andere Erklärungsmöglichkeiten auszuschließen. Dazu sollte der Vorgang rekonstruiert werden, zum Beispiel über die Kundenkartei oder die Abverkaufshistorie. Auch ein Abgleich der Bestände kann einen Hinweis geben. Außerdem sollten alle Beteiligten befragt werden.

Wann sollte der Patient informiert werden?
Ist ein Fehler wahrscheinlich, sollten sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um den Betroffenen zu warnen. Dies ergibt sich aus der generellen Verpflichtung, Schäden von Dritten abzuwenden. Das gilt übrigens auch dann, wenn es sich nicht ein eigenes Versäumnis handelt.

Wie sollte der Patient angesprochen werden?
In dieser Phase geht es darum, unverzüglich zu handeln, um beispielsweise die Einnahme des falschen Arzneimittels zu verhindern und das erforderliche Medikament rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Daher sollte offen mit dem Problem umgegangen werden. Dazu gehört, dass das Problem nicht bagatellisiert wird. Allerdings sollte man auch aufpassen, den Kunden nicht in Panik zu versetzen.

Sollte man sich entschuldigen?
Empathie ist in jedem Fall angezeigt, eine Entschuldigung ist nicht gleichzusetzen mit einem Schuldeingeständnis. Auch in solchen schwierigen Situationen sind die meisten Patienten dankbar, wenn sie ernst genommen werden. Sollte man den Fehler eingestehen? Auch wenn man sich dem Patienten verpflichtet fühlt: In diesem frühen Stadium sollte man keine Schuld explizit eingestehen, da dies nicht nur die Verteidigung erschwert, sondern auch den Versicherungsschutz gefährden kann.

Wie kann der Kunde ausfindig gemacht werden?
Ist in der Kunde nicht in der Datenbank der Apotheke hinterlegt, können Telefonbuch oder Internet weiterhelfen. Auch in den sozialen Netzwerken können Personen mit etwas Rechercheglück ausfindig gemacht werden – die Situation rechtfertigt auch ungewöhnliche Wege. Einen Tipp kann oft auch der behandelnde Arzt geben.

Auf welchem Weg sollte Kontakt aufgenommen werden?
Aufgrund der Dringlichkeit bietet sich das Telefon als schnellstes Kommunikationsmittel an. Ist der Zwischenfall schwerwiegender, sollte persönlich vorbeigefahren werden. Ist niemand erreichbar, sollte eine schriftliche Nachricht hinterlassen werden.

Woher weiß ich bei Privatkunden, was verordnet war?
Da der Patient sein Rezept in der Regel zur Einreichung bei seiner Versicherung mit sich nimmt, sind einige Apotheken dazu übergegangen, grundsätzlich Kopien zu machen und in die reguläre Rezeptkontrolle zu geben. Mitunter empfiehlt es sich, diese auch für eine bestimmte Zeit aufzubewahren. Einfacher ist es bei EDV-Systemen mit Rezeptscanner.

Wer sollte noch informiert werden?
Inhaber oder Vorgesetzte sollten von Anfang an einbezogen werden – schließlich sind sie diejenigen, die später zur Haftung gezogen werden können. Sind gesundheitliche Folgen nicht auszuschließen, sollte auch der behandelnde Arzt informiert werden. Schließlich muss die Haftpflichtversicherung unverzüglich über den Vorfall unterrichtet werden, unabhängig davon, ob man persönlich von einem Fehlverhalten ausgeht oder nicht. Ansonsten ist der Versicherungsschutz in Gefahr. Spätestens wenn sich abzeichnet, dass sich der Fall nicht gütlich klären lässt, sollte ein Anwalt hinzugezogen werden.

Müssen Polizei, Aufsicht oder Staatsanwaltschaft informiert werden?
In einem Strafverfahren kann es entlastend sein, aktiv zur Aufklärung beigetragen zu haben. Eine Verpflichtung zur Selbstanzeige gibt es aber nicht, selbst in gravierenden Fällen von fahrlässiger Körperverletzung müssen weder der betroffene Mitarbeiter noch sein Vorgesetzter oder ein Kollege Meldung bei der Staatsanwaltschaft oder Polizei machen.

Wie sollte man mit dem Patienten weiter umgehen?
Sind Schäden abgewendet, sollte der Apotheker zeitnah ein klärendes Gespräch suchen. Dabei sollte er sich vorab Gedanken darüber machen, was er mitteilen kann und mit welchen Nachfragen zu rechnen ist. Aus Beweisgründen sollte ein solches Gespräch nicht alleine geführt und außerdem protokolliert werden.

Wie sollten Beweise gesichert werden?
Alle Unterlagen sollten zusammenzutragen werden; keinesfalls dürfen Beweise beiseite geschafft oder vernichtet werden. Das gilt auch für das falsch abgegebene Medikament, das auf jeden Fall in die Apotheke zurückgeholt werden sollte. Wichtig ist auch: Werden Unterlagen geändert oder ergänzt, sollte der Nachtrag als solcher mit Datum gekennzeichnet werden. Auch die Anfertigung eines Gedächtnisprotokolls ist zu empfehlen. Dieses sollte sich auf den Hergang beschränken und keine Vermutungen oder Wertungen enthalten.

Welche juristischen Folgen kann ein Fehler haben?
Geschädigte Patienten können vor Zivilgerichten Schadenersatz geltend machen. Parallel können Betroffene Strafanzeige stellen, dann kommt zusätzlich ein Strafverfahren in Betracht. Außerdem drohen berufsrechtliche Konsequenzen.

Wie kommt ein Haftungsfall zustande?
Der Nachweis mangelnder Sorgfalt alleine löst noch keinen Haftungsanspruch aus. Nur wenn in der Folge ein konkreter gesundheitlicher oder wirtschaftlicher Schaden eingetreten ist, kann ein Anspruch bestehen.

Was sind die rechtlichen Grundlagen?
Apotheken können nach den allgemeinen Grundsätzen von Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) und Strafgesetzbuch (StGB) zur Rechenschaft gezogen werden, wenn durch Verletzung der Sorgfaltspflicht ein Patient zu Schaden kommt. Bei der Prüfung der Sorgfalt wird auf die berufsrechtlichen Vorgaben zurückgegriffen, dazu gehören berufsspezifische Gesetze und Verordnungen, Richtlinien, sogenannte bewährte Erkenntnisse und sonstige Vorgaben.

Was ist Haftung nach Vertrag?
Der Apotheker wird belangt, weil er seinen (implizit) vereinbarten Pflichten nicht nachgekommen ist. Laut §280 BGB gilt: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.”

Was ist Haftung nach Delikt?
Der Apotheker hat sich sogenannter unerlaubter Handlungen schuldig gemacht. §823 BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“

Welche Strafen drohen?
Schadenersatz kann – je nach dem Umfang der Beeinträchtigung – schnell in die Millionenhöhe gehen. Neben materiellen können auch immaterielle Ansprüche geltend gemacht werden. Im Strafverfahren gilt für Fälle von Körperverletzung neben der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

Wer haftet – der Inhaber oder der Mitarbeiter?
Im Zivilverfahren muss der Inhaber grundsätzlich auch für sein Team gerade stehen. Einerseits ist er der Vertragspartner des Patienten. Andererseits ist er verantwortlich für die Auswahl, Anleitung, Schulung, Überwachung und Ausstattung seiner Mitarbeiter, sodass ein sogenannter Organisationsmangel stets ihm anzulasten ist. Strafrechtliche Ermittlung richten sich gegen denjenigen, dem der mutmaßliche Fehler zur Last gelegt wird. Auch angestellte Approbierte oder PTA müssen in einem solchen Fall mit einem Strafbefehl rechnen.

Haften Kollegen für Kollegen?
Zwar gilt für PTA die Arbeit unter Aufsicht, da diese Regelung aber weit ausgelegt wird, kommt eine Haftung der zum jeweiligen Zeitpunkt verantwortlichen Approbierten nur bei groben Verstößen gegen die Aufsichtspflicht in Betracht.

Was sollte der Gegenseite ausgehändigt werden?
Wünschen der Patient oder sein Anwalt Einsicht in seine hinterlegten Unterlagen, muss diese in der Regel auch gewährt werden. Kopien können mitgegeben, Originale sollten behalten werden.

Wie sollte man bei Vernehmungen oder Durchsuchungen reagieren?
Hier sollten sich die Beteiligten kooperativ verhalten und von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen.



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