Preisbindung und Rx-Boni

BMG: Gutachten soll VOASG retten Tobias Lau, 08.01.2020 14:55 Uhr

Eile und Sorge: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird sein Rx-Boni-Verbot vor der EU-Kommission verteidigen müssen. Dabei soll das Preisbindungsgutachten helfen. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Das vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) in Auftrag gegebene Gutachten zur teilweisen oder vollständigen Aufgabe der Preisbindung und der Gewährung von Rx-Boni schürt gerade Ängste in der Branche: Will sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) damit für das Ende der Preisbindung wappnen? Das BMG positioniert sich dazu nun eindeutig: Die Analyse soll die Datengrundlage schaffen, um das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) zu retten.

„Wir brauchen Daten, um vor Gericht und in Brüssel zu bestehen“, bringt es ein BMG-Sprecher auf den Punkt. Denn es herrschen berechtigte Zweifel daran, dass die EU-Kommission das geplante Rx-Boni-Verbot im GKV-Sektor absegnen wird. Das weiß man auch in der Friedrichstraße und will sich nun nach eigenen Angaben argumentatives Rüstzeug holen. „Die Bundesregierung befindet sich zur Zeit zum Gesetzentwurf in der Kabinettfassung in Abstimmungsgesprächen mit der Kommission“, so das BMG. „Das beauftragte Gutachten zur Bedeutung der Preisbindung für den Apothekenmarkt und für das gesamte Gesundheitswesen in Deutschland unterstützt die Gesetzesinitiative von Bundesminister Spahn mit empirischen Daten.“

Wenn das alles so stimmt, dann hieße das aber auch: Allzu schnell sollte niemand mit einer Entscheidung aus Brüssel rechnen. Bisher lautete die offizielle Erwartungshaltung, dass die Kommission Anfang des Jahres ein Urteil fällen wird. Das BMG erwartet die Fertigstellung des Gutachtens aber nach eigenen Angaben erst Mitte des Jahres. Das Ministerium rechnet also offensichtlich damit, erst danach sein Gesetzesvorhaben zu verteidigen – oder dass das Gutachten zu spät kommt.

Beim BMG erwartet man demnach, dass die Gutachter zu dem Schluss gelangen, dass durch eine Aufweichung der Preisbindung und die Gewährung von Rx-Boni das Sachleistungsprinzip und damit in letzter Konsequenz die flächendeckende wohnortnahe Arzneimittelversorgung unterlaufen wird. Angesichts des bisherigen Schaffens von Iges und DIW – den beiden Instituten, die mit der Erarbeitung des Gutachtens beauftragt sind – könnte das aber optimistisch gedacht sein.

Mehrere leitende Wissenschaftler der beiden Institute haben sich nämlich in der Vergangenheit bereits mehr oder weniger eindeutig zum Thema positioniert. 2005 hatte das BMG schon einmal einen Auftrag für eine Studie zum Arzneimittelmarkt an Iges vergeben: „Steuerung der Arzneimittelausgaben und Stärkung des Forschungsstandortes für die pharmazeutische Industrie“, die eine Markt- und wettbewerbstheoretische Analyse der Regulierung des GKV-Arzneimittelmarktes enthielt. Deren Duktus: Im Arzneimittelmarkt ist eine stärkere Wettbewerbsorientierung notwendig.

„Zu einer solchen ordnungspolitischen Orientierung passen (…) keine zentralen Preisfixierungen oder Kollektivverhandlungen, sondern nur weitgehende Spielräume für einzelvertragliche Beziehungen beziehungsweise selektives Kontrahieren zwischen Krankenkassen und den pharmazeutischen Leistungserbringern wie Arzneimittelherstellern und -distributeuren“, so die Autoren. Als Gegenentwurf zu kollektiver Preisbindung präsentierte Iges damals eine „Reformoption für die Hersteller- und Distributionsebene der GKV-Arzneimittelversorgung entwickelt, die konsequent auf die Herstellung von Vertragswettbewerb auch in diesem Bereich des Leistungsgeschehens setzt“.

Auch das DIW hatte sich bis jetzt nicht als Verteidiger der Arzneimittelpreisverordnung hervorgetan. Das EuGH-Urteil zu Rx-Boni vom Oktober 2016 begrüßte Prof. Dr. Tomaso Duso, Abteilungsleiter Unternehmen und Märkte am DIW, damals in einem Kommentar, der nach wie vor auf der DIW-Seite abrufbar ist: „Können Verbraucher nach der EuGH Entscheidung auf niedrigere Medikamentenpreise hoffen? Nicht, wenn es nach der Apotheken-Lobby geht“, so Duso. „Aber so sinnvoll eine Untergrenze oder eine Deckelung der Preise sein mögen, die starre Festsetzung von Aufschlägen ist es nicht. Innerhalb dieser Bandbreite sollte jede Apotheke ihre Preise frei gestalten können.“