ApoRetrO – Der satirische Wochenrückblick

Apothekertag: Der unheimliche Gast 20.09.2025 07:57 Uhr

Berlin - 

Es waren nur wenige Minuten, in denen Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) beim Deutschen Apothekertag (DAT) in Düsseldorf ihre Eckpunkte herunterrasselte. Es dauerte dann aber ein paar Stunden, bis sich der Nebel lichtete und die versammelte Apothekerschaft realisierte, was man ihr da aufgetischt hatte. Klang das nicht in weiten Teilen genauso wie das, für das man Karl Lauterbach (SPD) die beiden Jahre zuvor noch gemeinsam ausgebuht hatte? Investigative Recherchen belegen: Es ist exakt dasselbe Papier.

Es war kein leichter Gang, den die Gesundheitsministerin in dieser Woche hatte. Ihr Amtsvorgänger war nicht ein einziges Mal beim DAT erschienen; er war der Wissenschaft erklärtermaßen mehr zugetan als den Leistungserbringern und ihren Verbänden. Job verfehlt, könnte man eigentlich sagen. Aber Warken wusste, dass die Apothekerinnen und Apotheker ihn deswegen bei seiner letzten Zuschaltung erneut ausgebuht hatten und dass sie noch ein weiteres Jahr zuvor wütend an seinem Büro im Ministerium vorbei marschiert waren. „Bei denen musste du vorsichtig sein“, hatte ihr ihr Vorvorgänger, der heutige Fraktionschef Jens Spahn, am Tag ihrer Ernennung beim gemeinsamen Abendessen zugeraunt.

Wie würde man auf ihre Rede reagieren? Diese Frage geht Warken durch den Kopf, als am frühen Dienstagnachmittag im Düsseldorfer Kongresszentrum in der ersten Reihe stehend brav der flammenden Rede von Abda-Präsident Thomas Preis applaudiert und sich dann, noch einmal aufmunternd von Abda-Vize Dr. Ina Lucas am Arm getätschelt, auf den Weg zum Rednerpult macht. Auf der Treppe spricht sie sich noch einmal selbst ermutigende Worte zu: Was sollte schon schief gehen? Im Ministerium hatte man sich schließlich eine ganze Reihe schöner Dinge für die Apothekerinnen und Apotheker ausgedacht.

Zunächst einmal Charmeoffensive: „Apotheken sind unverzichtbar“, „brauchen gute Rahmenbedingungen“, „betrachte es als meine Aufgabe, den Koalitionsvertrag umzusetzen“. Es gibt Applaus, das Eis ist gebrochen. „Die Apothekenreform wird zu den ersten Gesetzen gehören, die wir im BMG auf den Weg bringen.“ Noch einmal Applaus. Und natürlich sei es wichtig, dass Eckpunkte nicht über Medien kommuniziert würden. Applaus, Applaus, Applaus.

„Natürlich ist es mein Ziel, die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag vollständig umzusetzen. Aber Politik funktioniert nicht so, Politik findet nicht im Reinraum statt“, hört sie sich plötzlich sagen. An diese Stelle der Rede kann sie sich gar nicht erinnern. Aber sie will sich nichts anmerken lassen und so spricht sie scheinbar unbeeindruckt weiter: „Sie alle kennen die Haushaltslage. In diesem Jahr können wir die Anhebung des Fixums nicht umsetzen. Ich verspreche aber, dass wir die Erhöhung auf Wiedervorlage legen.“

Was ist das? Warken blättert verzweifelt durch ihre Rede. Vielleicht hat sie die Zettel vertauscht? Wo ist die Fixumserhöhrung, wo die Retaxsperre, wo das Rx-Versandverbot? All das stand doch gestern noch da. Eine eisige Stille kriecht durch den Saal, an einigen Tischen ein leises Raunen. Warken guckt hoch, dann wieder auf ihre Blätter. Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht. Ganz hinten im Saal ein bösartiges Kichern. Bevor jemand hinschauen kann, huscht ein dunkler Schatten durch die Tür hinaus. Warken entschließt sich, ihre Rede weiterzuführen. Und so nehmen die Dinge in Düsseldorf ihren Lauf.

Zehn Jahre später – 2035, die Zahl der Apotheken ist auf 5000 gefallen, der Marktanteil des Versandhandels liegt bei 53 Prozent – liefert ein Recherchekollektiv von Antenne Düsseldorf, Ddorf-Aktuell und Messejournal den Beweis: Warken ist an jenem verhängnisvollen 16. September tatsächlich Opfer einer Intrige geworden. Alte Überwachungsbänder zeigen: Als die Ministerin kurz vor der Eröffnung viele Hände schütteln muss, tauscht jemand im Vorbeigehen die Zettel mit der vorbereiteten Rede aus. Verschwommen ist auf den Aufnahmen ein Gesicht zu erkennen. Sonnenbrille, falscher Bart, aber ganz eindeutig: Es handelt sich um – Karl Lauterbach (SPD).

Größte Enttäuschung

Dass die Ministerin die ersehnte Erhöhung des Fixums tatsächlich nicht mitgebracht hat, war vielleicht die größte Enttäuschung. Die größte Überraschung war es nicht. Denn dass ausgerechnet die Apotheken angesichts der Haushaltslage mit mehr Geld bedacht werden, wäre mehr als außergewöhnlich gewesen. Blöd war nur, dass die Abda in den Tagen zuvor diesbezüglich nicht gerade professionelles Erwartungsmanagement betrieben hatte: Obwohl man Preis dem Vernehmen nach eine Woche vorab vertraulich in die Pläne eingeweiht hatte, hatte er in seiner Rede noch einmal ausdrücklich an der Honorarerhöhung festgehalten.

Was viel erstaunlicher war, ist die Tatsache, wie viele Elemente aus der letzten geplanten Apothekenreform es in die Eckpunkte der neuen Ministerin geschafft haben. PTA-Vertretung, Rezepturverbünde, Zweigapotheken. Nur wurde die Botschaft diesmal anders verpackt: Direkter Dialog, weil Sie es mir wert sind. Der wohl wichtigste Mann des Tages saß in der ersten Reihe: BMG-Abteilungsleiter Thomas Müller hatte schon das erarbeitet, was jetzt als Blaupause dienen soll. Was kommt, ist die „Apotheke light“ in einer Light-Version. Apothekenreform light in jeder Hinsicht. Der Unmut bei den Apothekern ist deswegen aber nicht kleiner.