Verdacht auf Abrechnungsbetrug

Apotheker klagt vergeblich gegen Durchsuchung Alexander Müller, 16.11.2022 14:02 Uhr

Ein Apotheker wehrt sich vor Gericht gegen die erfolgten Durchsuchungen. Titel: shutterstock.com/Janjira Rodsuk
Berlin - 

Die Krankenkassen hatten Anzeige erstattet, Statistiken wurden ausgewertet, Angehörige von Patienten befragt – die Verdachtsmomente gegen einen Apotheker aus Bayern waren so groß, dass die Generalstaatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung bewilligt bekam. Alle Versuche des Apothekers, die Verwertung der beschlagnahmten Unterlagen zu untersagen, wurden vom Landgericht Nürnberg-Fürth (LG) jetzt abgewiesen.

Der Apotheker soll sich über eine Firma, die Medizinprodukte zur Einnahme von Arzneimitteln vertreibt, von Ärzten Verschreibungen zuweisen haben lassen, ein Verstoß gegen § 11 Apothekengesetz (ApoG). Weil die Rezepte trotzdem bei den Krankenkassen eingereicht wurden, wurde wegen Abrechnungsbetrug ermittelt.

Weil anhand der statistischen Auswertungen der Krankenkassen ein Anfangsverdacht gegeben war, fand am 27. Oktober 2021 die Durchsuchung in der Apotheke und der Privatwohnung des Apothekers statt. Zunächst hatte dieser dagegen geklagt, dass zu viele Unterlagen beschlagnahmt worden seien. Das wurde vom Gericht aber mit zwei kleinen Ausnahmen abgewiesen. Nach einem Wechsel seines Verteidigers versuchte der Apotheker nun, die Durchsuchung insgesamt für unzulässig erklären zu lassen.

Durchsuchung von Apotheke und Privatwohnung

Das erste Argument der Verteidigung: Die Ermittlungrichterin habe den Durchsuchungsbeschluss nicht selbst verfasst, sondern nur den Entwurf der Generalstaatsanwaltschaft unterschrieben. Von einer eigenverantwortlichen Prüfung des Tatvorwurfs könne also keine Rede sein. Das LG wies darauf hin, dass das Vorgehen eine ständige Praxis in Wirtschaftsstrafverfahren sei. Wenn das Ermittlungsgericht sinnentstellende Fehler oder sonst offenkundige Mängel des Antrags der Staatsanwaltschaft unkorrigiert übernehme, könne man von einer fehlenden Prüfung ausgehen, nicht aber in diesem Fall. Aus dem Beschluss selbst sei zudem gar nicht ersichtlich, wie tief sich die Ermittlungsrichterin in den Fall eingearbeitet habe, weil die Prüfung hier gar nicht dokumentiert werde. Offensichtliche Fehler seien jedenfalls nicht zu erkennen.

Der Durchsuchungsbeschluss war aus Sicht des Apothekers außerdem zu allgemein, er nenne nicht die notwendigen Indiztatsachen, die den Anfangsverdacht rechtfertigen könnten. Auch in diesem Punkt folgte das Gericht nicht. Den mit der Durchsuchung betrauten Beamten sei klargemacht worden, worauf sie ihr Augenmerk richten sollten. Der Sachverhalt sei in seinen Grundzügen umrissen und nach zeitlichem Rahmen, Art der Tatbegehung, mutmaßlichen Geschädigten und Schadenshöhe individualisiert.

Ermittler ausreichend informiert

Auch die Stellungnahmen der Anzeige erstattenden Krankenkassen, deren statistische Auswertungen, Stellungnahmen von Ärzten und Patientenangehörigen sowie die Stellungnahme einer Rezeptprüfstelle seien im Beschluss erwähnt. Mit anderen Worten: Der Apotheker überspanne die Anforderungen an die Darlegung des Anfangsverdachts.

Eine Kasse berichtet in ihrer Anzeige aus dem Dezember 2019, die Apotheke habe bei vier Patienten Arzneimittel gegen pulmonale arterielle Hypertonie abgerechnet, die jeweils nach dem Tod der Patienten verordnet worden seien. Eine andere Kasse teilte mit, ihren Versicherten seien zwischen Januar 2018 und November 2020 insgesamt 164 Packungen eines der fraglichen Medikamente verordnet worden, jeweils von Ärzten mit Praxissitz außerhalb von Bayern.

All das ließ es laut Gericht jedenfalls als möglich erscheinen, dass es zwischen dem Apotheker und den behandelnden Ärzten Absprachen oder zumindest eine eingespielte Übung gegeben habe. „Es erschien dabei weiter möglich, dass die ausgestellten Rezepte einen Weg zum Beschuldigten gefunden haben, der quasi „über die Köpfe der Patienten“ führte, ihnen also die Auswahl der Apotheke also nicht eröffnet war“, so die Richter mit Verweis auf das erst später bekannt gewordene Patienten-Support-Programm. Insgesamt hätten aber tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen, die eine illegale Zuweisung von Rezepten möglich erscheinen ließen.

Akten werden ausgewertet

Letzter Versuch des Apothekers: Die Kassen hätten lange Zeit selbst nichts unternommen, das stehe auch der Strafverfolgung entgegen. Doch diese Einschätzung beruhe „auf einem Fehlverständnis des Strafrechts und der Kompetenzen der Ermittlungsbehörden“, konstatierten die Richter trocken.

Was auch immer die Ermittler bei den Durchsuchungen gefunden haben oder noch finden, denn die Auswertung dauert noch an – alles dürfte im Verfahren gegen den Apotheker nun auf den Tisch kommen.