Apothekenkooperation

Migasa: Spanier gegen den Fachkräftemangel Maria Hendrischke, 13.04.2016 10:29 Uhr

Berlin - 

Die Apothekenkooperation Migasa holt spanische Jungpharmazeuten nach Deutschland. Bereits im vergangenen August kam die erste Gruppe, um sich in deutsche Apotheken einzuarbeiten. Das Ziel: Eine schnelle Anstellung als Apotheker. Die Erfahrungen sind überwiegend positiv, berichten die Organisatoren.

In Deutschland haben es insbesondere Apotheken in ländlichen Gegenden oder fernab von Pharmazieinstituten schwer, Nachfolger zu gewinnen. In Spanien wiederum gibt es zahlreiche Pharmazeuten, die nach ihrem Studium arbeitslos sind oder nur eine schlecht bezahlte Stelle finden. „Die Deutschen sind gegenüber dem Reiseland Spanien positiv eingestellt“, so Sebastian Kockmann, der für die Migasa das Projekt betreut er. „Das erleichtert Spaniern hierzulande den Einstieg.“

Über die Außenhandelskammer in Madrid ließ die Kooperation in Spanien nach Apothekern suchen – etwa 120 Bewerbungen gingen ein. Im März 2015 flogen Vertreter der Migasa – darunter Kockmann und der Mülheimer Apotheker Patrick Marx – nach Spanien, um gut 40 Bewerbungsgespräche zu führen. „Das ist eine vollkommen andere Nachfragesituation als in Deutschland“, sagt Marx.

Alle Bewerber waren zwischen 23 und 30 Jahren alt. „Wir haben bewusst nach Kollegen gesucht, die noch nicht fest verwurzelt waren“, erklärt Kockmann. Die Bewerbungsgespräche ähnelten einem „Speed-Dating“ – in etwa 20 Minuten langen Gesprächen pro Kandidat stellten sich beide Seiten vor, unterstützt von einem Dolmetscher. „Die Bewerber waren hoch motiviert – sie wollten nach Deutschland“, sagt Marx.

Die Kooperation wählte schließlich 14 Spanier aus, denen sie einen Sprachkurs in Madrid bezahlte. Ab April lernten die Pharmazeuten drei Monate 25 Stunden pro Woche Deutsch und erreichten so das Sprachniveau B1. „Erst als wir die spanischen Apotheker bereits ausgewählt hatten, fragten wir bei unseren Mitgliedsapotheken nach, wer definitiv am Projekt teilnehmen will. Das generelle Interesse hatten wir bereits im Vorfeld abgeklopft“, berichtet Kockmann. Es hätten sich weit mehr als 14 Inhaber gemeldet. „Wir wählten die Apotheken aus, deren Bedarf an Personal am dringendsten war.“ Von den Migasa-Apothekern werde das Projekt genau beobachtet, so Kockmann.

Den Spaniern wurden die 14 Apotheken vorgestellt, damit sie ihren jeweiligen Favoriten wählen konnten. „Besonders beliebt war der Standort Mönchengladbach – wegen des Fußballvereins“, sagt Marx. Er selbst suchte auch eine Approbierte für seine drei Apotheken in Mülheim. Paula Navarro, eine 24-jährige Kollegin aus Sevilla, entschied sich für seine Apotheken. Sie hatte in Spanien in einem Stoffgeschäft als Verkäuferin gearbeitet. „'Dafür habe ich nicht Pharmazie studiert', hat sie mir gesagt“, berichtet Marx.

Mitte August 2015 reisten die Jungpharmazeuten nach Deutschland. In den Apotheken können sie zwar nur als Hospitanten arbeiten, beziehen aber ein Praktikumgsgehalt. „Sie dürfen nicht als PhiP angestellt sein, solange ihr pharmazeutischer Abschluss in Deutschland nicht anerkannt ist“, erklärt Kockmann.

Für die Anerkennung des Berufsabschlusses müssen sie eine Fachsprachenprüfung an der zuständigen Bezirksregierung bestehen. Daher organisierte die Migasa weiterführende Sprachkurse in Detmold und Duisburg, die von den Spaniern neben ihrer Hospitanz in der Apotheke besucht wurden. Denn trotz des Sprachkurses in Madrid konnten die Apotheker noch nicht flüssig Deutsch sprechen. „Das war zuerst eine kleine Enttäuschung“, gesteht Marx.

Inzwischen sprächen die Spanier Deutsch auf dem Niveau C1, was eine deutliche Steigerung sei. Im Februar haben die ersten fünf Kandidaten bereits ihre Fachsprachenprüfung bestanden und die deutsche Approbation erhalten. Die übrigen Spanier werden in dieser Woche erneut geprüft. „Beim ersten Versuch hatte es noch nicht ganz gereicht; das Niveau der Prüfung ist schon enorm hoch“, so Kockmann.

Die Migasa versuchte, den Hospitanten das Einleben so leicht wie möglich zu machen: „Wir haben die Reisekosten bezahlt, Tickets für den Nahverkehr gestellt und ihnen Wohnungen vermittelt“, berichtet Marx. „Damit wollten wir zeigen: 'Wir wollen euch!'“, erklärt Kockmann.

Sowohl die Spanier als auch die deutschen Inhaber sind mehrheitlich sehr zufrieden mit dem Projektverlauf. Das Heimweh habe sich in Grenzen gehalten; nur das kühlere Wetter habe den Spaniern anfangs Probleme gemacht. Allerdings musste ein Spanier die Hospitation abbrechen und nach Hause zurückkehren, als sein Onkel schwer erkrankte. Zwei weitere Hospitanten hätten sich „unter Tränen“ von ihren deutschen Apotheken getrennt, berichtet Kockmann: „Sie haben sich entschieden, doch in eine Großstadt wie Hamburg oder Berlin zu gehen.“

Damit habe man bei der Migasa gerechnet. „Das war nicht die ursprüngliche Idee, ist aber auch nicht dramatisch“, betont Kockmann. Die beiden betroffenen Apotheken profitierten zwar leider nicht mehr von den Fachkräften. Aber die Spanier blieben in Deutschland und die Migasa habe ihnen den Einstieg erleichtert. Zudem gebe es auch positive Beispiele: Ein Spanier, der in Rheine arbeite, habe seine Freundin nachgeholt. „Sie ist auch Apothekerin und hat in einer Migasa-Apotheke zu arbeiten begonnen“, erzählt Kockmann.

Die Kooperation werde nun beobachten, wie sich die Spanier nach den bestandenen Sprachtests als vollwertige, angestellte Apotheker entwickelten. Dann sei auch denkbar, eine zweite Bewerberrunde zu starten, so Kockmann. Zudem überlege die Kooperation, auch PTA aus Spanien nach Deutschland zu holen. Das sei jedoch etwas komplizierter: „Es gibt keine exakt vergleichbare Ausbildung, daher könnte es mit der Berufsanerkennung schwierig werden“, erklärt er. Allerdings sei die Kooperation mit den entsprechenden spanischen Berufsverbänden in Kontakt. Vorrangig konzentriere sich die Migasa bei der Personalsuche aber weiterhin auf Deutschland.

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