Bundesverfassungsgericht

Apothekenerben müssen Mitarbeiter halten Alexander Müller, 18.12.2014 09:12 Uhr

Berlin - 

Steuerbefreiungen beim Vererben von Betrieben sind laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) teilweise verfassungswidrig. Die Karlsruher Richter trugen dem Gesetzgeber auf, bis Juni 2016 nachzubessern. Bestimmte Ausnahmeregelungen sollen abgeschafft werden. Apothekenerben müssten demnach – wenn die Erbschaft den Freibetrag übersteigt – für eine Befreiung von der Erbschaftssteuer belegen, dass der Betrieb mit einer vergleichbaren Mitarbeiterzahl weitergeführt wird.

Der Gesetzgeber hatte 2009 Steuervergünstigungen geschaffen, um einen Betriebsübergang zu erleichtern und Arbeitsplätze zu sichern. Demnach werden 85 Prozent des geerbten Betriebsvermögens nicht besteuert, wenn das Unternehmen mindestens fünf Jahre weitergeführt wird und die Gesamtlohnsumme sich nicht um mehr als 20 Prozent verringert. Bleiben alle Arbeitsplätze in vollem Umfang sieben Jahre lang erhalten, kann der Erbe des Betriebes sogar komplett von der Steuer befreit werden.

Dem BVerfG zufolge verstößt die umfassende Steuerbefreiung gegen das Grundrecht der steuerlichen Belastungsgleichheit. Der Gesetzgeber dürfe zwar kleine und mittlere Unternehmen zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich begünstigen. Für Großunternehmen sei die Privilegierung jedoch ohne eine Bedürfnisprüfung unverhältnismäßig.

Apotheken werden aber unter eine andere aus Karlsruhe geforderte Neuregelung fallen: Aus Sicht des BVerfG ist auch die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten nach aktuellem Stand unverhältnismäßig. Diese können bislang auch von Steuervorteilen profitieren, ohne die Mindestlohnsumme zu belegen. Von diesem Nachweis wurden sie mit Blick auf den vermeintlichen hohen Aufwand befreit.

Aus Sicht der Karlsruher Richter ist diese Privilegierung übertrieben. Der mit der Kontrolle der Mindestlohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand sei nicht so hoch wie teilweise geltend gemacht, heißt es im Urteil. Betriebe mit Arbeitnehmern müssten unabhängig von Verpflichtungen aus dem Erbschaftssteuerrecht aus arbeits-, ertragsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Gründen eine Lohnbuchhaltung führen.

Von einer Verschonungsregelung kann aus Sicht der Karlsruher Richter schon keine Rede sein, da mehr als 90 Prozent aller Betriebe befreit wären. „Betriebe können danach fast flächendeckend den Verschonungsabschlag ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen“, heißt es in der Begründung. Ein Nachweis der Entwicklung der Lohnsummen dürfte danach auch kleineren Unternehmen ohne größeren zusätzlichen Aufwand möglich und damit zumutbar sein.

Diese Lohnsummererfordernis würde also künftig auch für Apotheken gelten. Kleine Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern werden künftig nachweisen müssen, dass ihre Lohnsumme über fünf beziehungsweise sieben Jahre weitgehend auf dem gleichen Niveau geblieben ist, um die Steuernachlässe zu erhalten.

Allerdings kommt es darauf an, wie der Gesetzgeber das BVerfG-Urteil umsetzt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat bereits angekündigt, nicht über die Vorgaben aus Karlsruhe hinausgehen zu wollen. Die Überarbeitung der Regelungen will das Bundesfinanzministerium (BMF) aber zügig vornehmen. Die vom BVerfG gesetzte Frist bis Mitte 2016 wird die Regierung demnach voraussichtlich nicht ausschöpfen. Deshalb sollten sich Apotheker beeilen, wenn sie noch von der Übergangslösung Gebrauch machen wollen – die Apotheke also nach den alten Regeln vererbt oder verschenkt wird.

Der Parlamentarische Staatssekretär im BMF, Dr. Michael Meister, erklärte: „Die Bundesregierung begrüßt die jetzt geschaffene Rechtsklarheit. Das Bundesverfassungsgericht hat die steuerliche Begünstigung des Übergangs von Betriebsvermögen wegen der damit geschützten Arbeitsplätze an sich als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen und lediglich einzelne Aspekte der geltenden Regelungen beanstandet.“ Nach sorgfältiger Prüfung der schriftlichen Urteilsgründe werde der Gesetzgeber über eine notwendige Neuregelung entscheiden.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) setzt auf eine unternehmensfreundliche Neuregelung: „Unsere Marschrichtung ist, dass wir die Spielräume, die uns das Bundesverfassungsgericht lässt, soweit wie möglich ausschöpfen“, sagte er gegenüber der Passauer Neuen Presse nach einem Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Es geht um den Bestand von Unternehmen, vor allem Familienunternehmen, und es geht um die Sicherheit der Arbeitsplätze“, so Seehofer.