ApoRetrO – der satirische Jahresrückblick

ApoRetrO 2021: Der Murrkopf in der Nicen Apotheke Alexander Müller, 31.12.2021 09:18 Uhr

Auch die Apotheken mussten 2021 viele neue Wörter lernen: Impfnachweis, Maskencoupon, Minister Lauterbach... Foto: APOTHEKE ADHOC
Duden/Guben/Bullerbü - 

Apotheken waren ja schon immer ein bisschen vintage – sehen alt aus, sind aber sehr gefragt und damit stets modern. Und jetzt steht „vintage“ sogar im Duden. Wir hätten rück- und ausblickend noch ein paar Vorschläge, Ergänzungen und Streichkandidaten. Dinge, auf die die Apotheken 2022 gerne verzichten können.

Das Wort „Immunitätsnachweis“ wurde in diesem Jahr in den Duden aufgenommen. Daran hatten die Apotheken einen großen Anteil, denn ohne sie müssten die Leute jetzt überall ihren zerfledderten Impfpass oder die Genesenenurkunde des Doc vorzeigen. Also wäre es nur gerecht, wenn auch „digitales Impfzertifikat, das“ als Anerkennung für die Apotheken in den Duden aufgenommen würde.

Und wo wir schon dabei sind: Es werden jedes Jahr auch Wörter gestrichen, die nicht mehr verwendet werden. „Lehrmädchen“ zum Beispiel, weil Auszubildende weniger herabsetzend klingt, auch wenn in Sachen Anerkennung immer noch Luft nach oben ist. Ein Sprachwunsch fürs neue Jahr wäre „Impfpassfälscher, der“ und „Impfpassfälscherin, die“ gleich zu streichen, bevor sie es in den Duden schaffen. Das wäre verdammt „nice“ – wiederum neu im Wörterbuch. Grüße gehen raus an die „Neiße Apotheke“ im brandenburgischen Guben, die ihrer Zeit marketingtechnisch weit voraus war, allerdings noch immer die alte Schreibweise verwendet.

Ärger mit der Aufsicht droht deswegen aber zumindest vorerst wohl nicht, denn die Behörden haben seit Monaten genug damit zu tun, die neuen Aufgaben der Apotheken im Blick zu behalten. Wie weit darf ein Testzelt von der Einheit der Betriebsräume entfernt sein, damit das professionelle Nasebohren noch als apothekenübliche Dienstleistung durchgeht? Wir haben so viel Neues gelernt in 2021! Und das Schönste ist doch immer, wenn man neu Erlerntes gleich anwenden kann. Zum Beispiel herauszufinden, unter welchen Umständen in Apotheken (oder davor oder daneben) geimpft werden darf.

Unter keinen Umständen, sagen die Ärzte. Zumindest die verfasste Ärzteschaft krähz das pflichtbewusst, denn an der Basis halten es die Praxen im besten epidemiologischen Sinne lieber pragmatisch: „Wer impft, ist völlig Latte“, sagt ein Arzt. Wobei allerdings „jmd/etw Latte sein“ vom Duden nicht vorgesehen ist, nicht einmal mit dem entschuldigenden Vorsatz „ugs“ oder „salopp“. Dafür aber die schöne Redewendung „Nicht mehr alle Latten am Zaun haben“, was ja immerhin den standespolitischen Aspekt der neuen Impfneiddebatte abdeckt.

Und für die Standesvertretung der Apotheker:innen als kleiner „Lifehack“ (neues Duden-Wort): Wenn die Politik anruft, damit alle bei der Impfkampagne mitmachen – beim nächsten Mal einfach schon fertig sein mit Curriculum und Software und so. Ohne Angst vor den Ärzten. Denn die „Kebsehe“ als erzwungenes Verhältnis mit einer Leibeigenen gibt es schon so lange nicht mehr, dass nun auch das Wort aus dem Duden gestrichen werden konnte. Egal, was der alte Murrkopf in Weiß dazu sagt. „Murrkopf“ wurde leider und vollkommen zu Unrecht auch gestrichen, wir sollen jetzt Spaßbremse sagen, wie furchtbar.

Liebend gern auf die sprachliche Müllhalde können dagegen alle „Berechtigungsscheine“ aka „Masken-Coupons“, mit denen einige Apotheken zwar ganz gutes Geld verdient, dies aber auch teuer bezahlt haben mit Stress im Einkauf, Stress in der Offizin, Stress mit dem Minister, Stress mit dem Fiskus und Stress mit den Murrköpfen von der Laienpresse, die nur die plötzlich gefallenen FFP2-Einkaufspreise vergleichen wollten. Ja, das war auch alles dieses Jahr. Und ich werde Murrkopf jetzt so lange weiter benutzen, bis es wieder in den Duden aufgenommen wird.

Ein Paradoxon als Streichkandidat wäre dagegen die „Höchstbestellmenge“: Streichen, was zusammengestrichen wird. Endlich wäre einmal genug Impfstoff für alle da. Nachdem Minister Lauterbach erfolgreich Inventur gemacht und Impfstoff nachgeordert hat, können wir frohen Mutes auch „Bundesgesundheitsminister Jens Spahn“ aus unserem Wortschatz streichen. Denn noch einmal wird er sich und uns den Job ja sicher nicht antun.

Spahns letzter Versuch, die Apothekerschaft ins Unglück zu stürzen, indem er holterdipolter (zulässiges Adverb laut Duden, allerdings umgangssprachlich) das E-Rezept einführen wollte, wurde kurz vor Weihnachten von seinem Nachfolger zunichte gemacht. Weil mit Spahn sowieso fast das ganze Team E-Rezept aus dem BMG verschwindet, kann man sich dem Thema jetzt mit der nötigen Ruhe widmen. Vielleicht schaffen es ja „Fokusregion“, „Modellvorhaben“ oder „Testphase“ ins Wörterbuch der Apotheken.

Darin werden „Stellenausschreibung“ und „Personalmangel“ leider auch 2022 sehr weit oben stehen. Aber wer weiß andererseits schon, was im neuen Jahr passiert? Wenn Sie Anfang dieses Jahres darauf gewettet hätten, dass wir jetzt am Jahresende über eine Impfpflicht diskutieren, weil ein Viertel der Bevölkerung zum Großteil freiwillig noch immer nicht gegen Covid-19 geimpft ist und wenn Sie das mit der Wette kombiniert hätten, dass Karl Lauterbach neuer Bundesgesundheitsminister wird, dann hätten Sie mit dieser Kombiwette viel Geld gewinnen können. In diesem Sinne: Einen guten Start ins neue Jahr und bleiben Sie uns gewogen!