Anti-Korruptionsgesetz

Mand: Rabattgrenze im Direktgeschäft Julia Pradel, 21.03.2016 15:18 Uhr

Berlin - 

Apotheker müssen aus Sicht des Arzneimittelrechtsexperten Dr. Elmar Mand künftig auf gute Konditionen im Direktgeschäft verzichten. Denn produktbezogene Rabatte fallen aus seiner Sicht unter das Anti-Korruptionsgesetz und werden damit strafrechtlich relevant. Mand räumt aber ein, dass die Abgrenzung schwierig wird.

Eigentlich sollte das Anti-Korruptionsgesetz schon im ersten Quartal kommen. Doch es gibt in der Koalition noch Klärungsbedarf, etwa bei der Anbindung an das Berufsrecht der Heilberufler sowie der Bestimmtheit verwendeter Begriffe. Das Gesetz soll immerhin noch vor der Sommerpause in Kraft treten.

Nach aktuellem Stand machen sich Apotheker etwa dann strafbar, wenn sie sich bei der Abgabe von Arzneimitteln von Dritten beeinflussen lassen. Ihnen drohen dann in schweren Fällen bis zu fünf Jahre Haft. Ob es sich bei Absprachen um eine Straftat oder einen bloßen Verstoß gegen die Berufsordnung handelt, hängt laut Mand von dem gewährten Vorteil ab – also jede wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Besserstellung. Bei einer Kooperation könne es beispielsweise schon einen Vorteil darstellen, mit jemandem zusammenzuarbeiten, sagte Mand beim Apothekenrechtstag auf der Interpharm.

Entscheidend bei der Bewertung von Sachverhalten ist, dass der Vorteil für eine Pflichtverletztung gewährt wird. Grundsätzlich darf ein Apotheker einem benachbarten Arzt demnach auch einen Porsche vor die Praxis stellen – sofern er darauf Lust und die wirtschaftlichen Mittel dazu hat. Der Porsche vor der Praxis reiche nicht als für Beleg für Korruption, so Mand. „Aber wenn Apotheker einen Vorteil dafür nehmen, dass sie bestimmte Arzneimittel kaufen, dann hängt das zusammen.“ Der Arzneimittelrechtsexperte bezweifelt, dass Apotheker Vorteile beim Einkauf akzeptieren dürfen: „Rabatte können eine Unrechtsvereinbarung begründen.“

Allerdings ist Mand zufolge eine Differenzierung geboten: Bei sortimentsweit gleichen Rabatten oder Skonti sieht er die Unabhängigkeit nicht gefährdet, der Verstoß sei strafrechtlich nicht relevant. Aber Rabatte auf bestimmte Arzneimittel – wie beim Direktgeschäft – hätten Lenkungs- und Steuerungswirkung und könnten damit relevant sein.

Wenn der Verdacht auf Korruption entsteht, geht es für die Staatsanwaltschaft an den Nachweis. Am einfachsten gelingt der bei eindeutigen Absprachen: „Immer, wenn Apotheker explizite Abreden treffen, sind sie dran“, so Mand. Andernfalls wird nach Indizien gesucht. „Der Staatsanwalt wird sich die Frage stellen, warum ein Kaufmann einem anderen gesetzeswidrig hohe Rabatte gewährt.“ Fehlende Transparenz und unbestimmte Vereinbarungen gälten als schweres Indiz.

Geringwertige Vorteile hält Mand dagegen für sicher. Allerdings dürften auch gesetzlich erlaubte Rabatte nicht an eine Gegenleistung geknüpft sein. „Ich fürchte, dass dem Staatsanwalt schon eine leichte Einschränkung der Unabhängigkeit als Indiz reicht“, so Mand. „Deshalb würde ich von hohen Rabatten für bestimmte Produkte abraten.“

Nachlässe auf OTC-Arzneimittel hält der Jurist zwar für unbegrenzt zulässig – allerdings könnten auch die zum Problem werden, wenn sie mit Nebenabreden verbunden sind, etwa mit einer besonderen Platzierung in der Sichtwahl. Zu der Frage, ob Apotheker Herstellern Platz in der Sichtwahl überlassen dürfen, liege lediglich ein Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG) aus den 1990er Jahren vor – das die Praxis nicht duldete. Da Staatsanwälte bei ihrer Recherche lediglich diese Entscheidung fänden, seien solche Absprachen problematisch, meint Mand.

Zuwendungsformen sind aus seiner Sicht etwa Werbe-, Weihnachts- oder Jubiläumsgeschenke, günstige Leihen oder unentgeltliche Darlehen, aber auch besonders hohe Rabatte oder unechte Skonti – die nicht von einer frühen Zahlung abhängen oder dem aktuellen Zinsniveau Rechnung tragen. Selbst immaterielle Vorteile können eine Zuwendung sein. Um unter das Anti-Korruptionsgesetz zu fallen, müssen Vorteile laut Mand mit einer verbotenen Gegenleistung verbunden sein.

Bei der Beurteilung wird das Strafrecht laut Mand auf außerstrafrechtliche Vorgaben angewiesen sein – ein Problem des Anti-Korruptionsgesetzes. Hinweise auf einen Verstoß finden sich etwa im Berufsrecht. Dazu gehören Mand zufolge nicht nur die Berufsordnungen, sondern auch die gesetzlichen Vorgaben, etwa das Apothekengesetz, die Apothekenbetriebsordnung, das Arzneimittelgesetz oder die Arzneimittelpreisverordnung, ferner das Lauterbarkeitsrecht, das Werberecht und das Sozialrecht. Mand räumt ein: „Es gibt Schwierigkeiten, die einzelnen Normen richtig zu verstehen und zu fassen.“

Mand befürchtet eine strafrechtliche Auslegung berufs- und arzneimittelrechtlicher Begriffe und erinnert an die Entscheidung des Ersten Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Zytostatika aus dem Jahr 2011: Die Richter befanden, dass es sich bei Zytostatika-Zubereitungen nicht um eine Rezeptur handelt. So hatte es aber bislang keiner der Beteiligten eingeschätzt, sodass der Fünfte Senat den betroffenen Apotheker Ende 2014 dennoch freisprach – wegen Irrtums. Dass Strafgerichte künftig pharmazeutische Sachverhalte klären sollen, sieht Mand daher kritisch.