Viel mehr Nachweise als Impfungen

42 Millionen Zertifikate zu viel ausgestellt Patrick Hollstein, 27.01.2022 09:34 Uhr

Fälschung oder echt? Die Zahl der ausgestellten Zertifikate übersteigt die der verabreichten Impfdosen deutlich. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Während der Bundestag über eine Impfpflicht diskutiert, offenbart sich die Schwäche des bisherigen Systems: Wie die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) berichtet, wurden deutlich mehr Impfzertifikate ausgestellt als Impfdosen verabreicht wurden. An den massenhaften Fälschungen, mit denen Apotheken konfrontiert sind, liegt es laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) aber nicht.

Wie die NOZ unter Berufung auf Zahlen des BMG berichtet, wurden bislang 162,1 Millionen Impfdosen für Erst-, Zweit- und Drittimpfungen verabreicht – aber 204,7 Millionen Impfzertifikate ausgestellt. Die Differenz liegt also bei 42,6 Millionen angeblichen Impfungen, für die es keine Erklärung gibt.

Laut Bericht sieht man im BMG hinter der deutlichen Abweichung weder alleine das Problem der gefälschten Impfpässe noch ungemeldete Impfungen. Vielmehr sei von „verschiedenen Gründen“ auszugehen, so ein Ministeriumssprecher gegenüber der NOZ: So seien insbesondere zu Beginn der Kampagne viele Zertifikate automatisch durch Impfzentren erstellt und verschickt worden, auch wenn die Personen bereits ein Zertifikat in einer Apotheke ausgestellt bekommen hätten. Außerdem könnten Zertifikate mehrfach ausgestellt werden, etwa wenn eine Person ihr Zertifikat verliere.

Auffällig ist allerdings, dass laut NOZ die Diskrepanz zuletzt deutlich gewachsen ist: So seien laut BMG bis zum 15. Dezember 162,4 Millionen digitale Impfzertifikate ausgestellt worden, während das Robert-Koch-Institut (RKI) nur 136,6 Millionen Impfungen zählte. Damit waren bis dahin also knapp 26 Millionen Zertifikate zu viel ausgestellt – seitdem sind mehr als 16 Millionen hinzugekommen, die nicht durch Impfungen belegt sind.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht das Problem jedenfalls nicht in verspäteten Meldungen aus den Praxen: „Wir gehen auf Basis der vertragsärztlichen Abrechnungsdaten davon aus, dass eine Untererfassung durch das digitale Impfquoten-Monitoring (DIM) nicht generell gegeben ist und damit die dargestellte Lücke nicht erklären kann", zitiert die NOZ einen Sprecher. „Um diese Lücke zu erklären, sind vertiefende Analysen der Daten zur Zertifikatsausstellung nötig, die aktuell nur das Robert-Koch-Institut durchführen kann.“