Schleswig-Holstein

Gratis-Pille für Geringverdienerinnen Julia Pradel, 06.07.2015 10:08 Uhr

Berlin - 

In Neumünster könnten Frauen mit einem geringen Einkommen die Pille künftig kostenlos erhalten. Das ist das Ziel einer Initiative der Organisation Pro Familia, dem Sozialdienst katholischer Frauen und Donum Vitae. Stimmt der Stadtrat dem Vorstoß zu, müssten Apotheken die Pille künftig bei den Sozialverbänden abrechnen.

Vorbild für die Initiative ist Flensburg. Dort erhalten Frauen mit einem geringen Einkommen bereits seit 2009 Unterstützung für die Verhütung. Nicht nur die Pille erhalten sie kostenlos, sondern auch Spiralen oder eine Sterilisation beziehungsweise Männer eine Vasektomie.

Nötig sei das Angebot geworden, weil mit Hartz IV die Einzelfallhilfe weggefallen sei, erklärt Reiner Johannsen, Geschäftsführer von Pro Familia in Schleswig-Holstein. Stattdessen werde ein Budget von rund 17 Euro pro Monat für die Gesundheit veranschlagt. Eine Spirale beispielsweise koste aber mehr als 300 Euro. „Eine Frau müsste also drei Jahre lang auf Sex verzichten, um sich die Spirale leisten zu können“, rechnet Johannsen vor.

Daher habe es großes Verständnis für den Vorstoß gegeben. „Es ist besser, für die Verhütung zu zahlen, als für den Schwangerschaftsabbruch oder ein ungewolltes Kind, das in schwierige Verhältnisse hineingeboren wird“, findet Johannsen.

Frauen, die die Hilfe annehmen wollen, wenden sich an die Beratungsstellen und legen ihre finanziellen Verhältnisse offen. Gegebenenfalls erhalten sie dann eine Kostenübernahmebescheinigung. Diese legen sie beim Arzt oder in der Apotheke vor – je nachdem, wer die Leistung abrechnet. Die Apotheken reichen das Rezept dann bei der Beratungsstelle, also etwa Pro Familia, ein und erhalten ihre Vergütung.

„Das funktioniert hervorragend“, findet Johannsen. Das Budget in Höhe von 30.000 Euro werde regelmäßig ausgeschöpft. Entscheidend ist aus seiner Sicht, dass das Projekt richtig beworben wurde. „Wir arbeiten mit Familienhebammen zusammen, die die Frauen ansprechen.“

Dieses Modell macht nun die Runde: In Geesthacht und Kaltenkirchen können Frauen laut Johannsen bereits kostenlos Verhütungsmittel erhalten, in Dithmarschen, Nordfriesland und Neumünster gibt es Vorstöße.

In Neumünster beschäftigt sich derzeit der Stadtrat mit dem Thema. Am 14. Juli soll in der Ratsversammlung die Entscheidung fallen. Urte Kringel von der städtischen Pro Familia-Beratungsstelle ist zuversichtlich: In der vergangenen Wahlperiode sei der Vorstoß zwar noch knapp gescheitert, doch dieses Mal könnten die Befürworter in der Überzahl sein.

Aus ihrer Erfahrung in der Beratungsstelle weiß Kringel, dass Frauen unter Druck geraten, wenn sie Geld haben und verhüten wollen. „Die Frage der sicheren Verhütung fällt hinten runter, wenn neue Schuhe für die Kinder nötig sind.“

Problematisch ist aus ihrer Sicht der Flickenteppich an unterschiedlichen Lösungen, die es in verschiedenen Regionen gibt. Ziel des Bundesverbands von Pro Familia sei es daher, Verhütung für alle Frauen mit einem niedrigen Einkommen zugänglich zu machen. 2009 hatte sich Pro Familia gegen einen Vorschlag der SPD ausgesprochen, die Pille für Bedürftige nach der Entlassung aus der Apothekenpflicht direkt abzugeben.