Botendienst

BMG: „Einzelfall“ soll Apotheken schützen Julia Pradel, 24.10.2014 13:03 Uhr

Berlin - 

Wann ist ein Einzelfall ein Einzelfall? Mit dieser Frage hat sich in Sachen Apotheken-Botendienst in der vergangenen Woche das Verwaltungsgericht Schwerin befasst. Die Richter sind dabei vor allem zu einer Erkenntnis gekommen: Die Einschränkung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), die den Botendienst nur im Einzelfall erlaubt, ist so unbestimmt, dass sie womöglich sogar verfassungsrechtlich problematisch ist. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sieht offenbar keinen Änderungsbedarf.

In dem Fall ging es um einen Apotheker aus Mecklenburg-Vorpommern, der Ordermed nutzt. Auf der Onlineplattform wird dafür geworben, dass Apotheken vorbestellte Arzneimittel direkt ausliefern. Ein Verstoß gegen die ApBetrO, fand das Landesamt für Gesundheit und Soziales und forderte den Apotheker auf, eine Versandhandelserlaubnis zu beantragen.

Das Gericht stellte sich aber auf die Seite des Apothekers, sodass die Behörde schließlich die ausgesprochene Untersagungsverfügung zurückrief und die Kosten des Verfahrens übernahm. Ein Urteil gab es daher nicht.

In der Verhandlung wurde das Thema aber ausführlich erörtert: Die Richter hätten kritisiert, dass niemand wisse, was mit dem „Einzelfall“ gemeint sei, berichtet Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, der den Apotheker vertreten hatte. Daher sei fraglich, ob der Paragraf überhaupt verfassungsgemäß sei: Denn eine Einschränkung der Berufsfreiheit sei nur gerechtfertigt, wenn sie bestimmt sei.

Die Richter hielten sich mangels anderer Hinweise an den Wortlaut der Formulierung und erklärten, es handele sich immer dann um einen Einzelfall, wenn es nicht der Regelfall sei. „Faktisch gibt es keine Beschränkungen für Präsenzapotheken“, schlussfolgert Douglas. Theoretisch wäre aus seiner Sicht die Grenze erst erreicht, wenn Patienten ihre Arzneimittel gar nicht mehr abholen könnten, sondern sich liefern lassen müssten.

Praktisch wird der Botendienst aus Douglas' Sicht aber weiterhin die Ausnahme bleiben, da weitere Vorgaben eingehalten werden müssten und die Auslieferung ziemlich aufwendig sei.

Die Einschätzung der Schweriner Richter bewertet der Jurist als Schelte für den Gesetzgeber und die Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AATB) bei der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz (ZLG). Deren Interpretation hatten die Richter als nichtssagend bewertetet.

Man werde sich nun sicherlich erneut mit dem Thema beschäftigen, so eine AATB-Sprecherin. Sie betonte aber auch, dass die Bewertung des Botendienstes immer eine Einzelfallentscheidung sei.

Douglas findet, dass die Formulierung „im Einzelfall“ eine Worthülse ist, die früher oder später wegfallen wird. Dass die Regeln verschärft werden, glaubt er nicht. Die Vorgaben seien bereits streng; eine weitere Einschränkung würde dazu führen, dass der Botendienst strenger geregelt wäre als der Versandhandel.

Wann aus einem Einzelfall die Regel wird und ob diesbezüglich mit einer gesetzlichen Klarstellung zu rechnen ist, war im BMG nicht zu erfahren. Ein Sprecher erklärte auf Nachfrage, eine Streichung der Formulierung sei im Vorfeld der Neufassung der ApBetrO im Jahr 2012 diskutiert worden. „Hiervon wurde jedoch Abstand genommen, um eine Schwächung der Präsenzapotheke durch Einführung einer weiteren Regelversorgungsform zu verhindern.“

Für die Apotheken bedeutet das: „Bei entsprechenden Werbeaussagen zum Botendienst wäre daher nach hiesiger Auffassung darauf zu achten, dass der Einzelfallcharakter des Botendienstes nicht verschwiegen wird.“ Die Sachlage könne sich aber anders darstellen, wenn ein zulässiger Versandhandel betrieben werde.