Arzneimittelrisiken

Bild: 3000 Aspirin-Tote jährlich Nadine Tröbitscher, 15.06.2017 14:36 Uhr

Berlin - 

Einer Studie der Oxford University zufolge sterben in Großbritannien jährlich etwa 3000 Patienten an Blutungen, die von Präparaten mit Acetylsalicylsäure (ASS) verursacht werden. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlicht und von der Bild-Zeitung aufgegriffen.

Das Risiko für gastrointestinale Blutungen unter ASS ist seit Langem bekannt. Das Ausmaß bestätigt die Studie mit 3166 Briten, die zuvor einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten hatten und im Nachgang mit ASS behandelt wurden. Der Großteil waren Männer, insgesamt waren 1584 Probanden unter 75 Jahren und 1582 mindestens 75 Jahre alt. Innerhalb von zehn Jahren wurde bei 405 Patienten eine Blutung diagnostiziert. Von den Betroffenen mussten 314 hospitalisiert werden. Dabei hatten die über 75-Jährigen ein zehnmal höheres Risiko für Blutungen, als die jüngeren Probanden.

Das Risiko steigt laut Studie mit dem Alter. Etwa 0,5 Prozent der Patienten unter 65 Jahren erleiden Blutungen, die Gefahr steigt auf 1,5 Prozent bei den 75-Jährigen und erreicht 2,5 Prozent ab dem 85. Lebensjahr. Der führende Autor der Studie, Professor Dr. Peter Rothwell, spricht von etwa 20.000 Blutungen jährlich, davon 3000 mit tödlichem Ausgang.

Etwa 40 bis 66 Prozent der Bevölkerung in den USA und Europa nehmen täglich ASS oder andere blutgerinnungshemmende Arzneimittel ein. Mit der Einnahme bestehe ein Risiko für gastrointestinale Blutungen. Allerdings können laut Rothwell Protonenpumpenhemmer (PPI) das Risiko um 70 bis 90 Prozent senken.

„Bei den über 75-Jährigen ist das Risiko einer ernsthaften Blutung höher – aber der Schlüsselpunkt ist, dass dieses Risiko durch die Einnahme von PPI neben Aspirin weitgehend vermeidbar ist. Viele der 3000 Todesfälle wären durch die Einnahme von PPI vermeidbar gewesen, Personen über 75 sollten ein PPI zusammen mit ihrem Aspirin verschrieben bekommen“.

Dennoch ist eine Fortführung der Therapie wichtig für die Patienten, die Präparate sollen nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt einfach abgesetzt werden. „Wir wissen klar aus Versuchen und anderen Forschungen, dass Aspirin wirksam bei der Vermeidung von rezidivierenden Herzinfarkten und Schlaganfällen ist. 20 Prozent der potenziellen rezidivierenden Herzinfarkte und Schlaganfälle werden durch Aspirin verhindert“, sagt Rothwell. „Unabhängig vom Alter, sollte niemand plötzlich aufhören, Aspirin zu nehmen, ohne mit ihrem Arzt zu sprechen."

ASS zu 100 mg wird zur Standardtherapie von instabiler Angina pectoris oder akutem Myokardinfarkt eingesetzt. Das Arzneimittel ist unter anderem ebenfalls zur Reinfarktprophylaxe oder nach arteriellen gefäßchirurgischen Eingriffen zugelassen. Patienten nehmen die Tabletten einmal täglich nach einer Mahlzeit ein, sofern diese nicht magensaftresistent überzogen sind. In der niedrigen Dosierung hemmt ASS irreversibel die Thrombozytenaggregation. Ursache ist eine Acetylierung der Cyclooxygenase und die daraus resultierende Hemmung von Thromboxan-A2 in den Blutzellen. In höheren Dosierungen überwiegt die schmerzstillende Wirkung des Arzneistoffes.