USA

Alibi-Apotheker für religiöse Bedenken APOTHEKE ADHOC, 28.07.2015 18:09 Uhr

Berlin - 

Apotheken in Washington dürfen die Abgabe von Arzneimitteln aus religiösen Gründen nicht ablehnen. Das entschied ein Berufungsgericht in San Francisco. Allerdings, so lautet eine Regel im US-Bundesstaat Washington, darf ein einzelner Apotheker die Abgabe verweigern, solange es einen Kollegen in der gleichen Apotheke gibt, der bereit ist, das Rezept zu beliefern. Diese Ausnahme bleibt bestehen.

Die Richter kippten mit ihrer Entscheidung ein Urteil einer früheren Instanz, das den Kontrahierungszwang für Notfallkontrazeptiva für verfassungswidrig erklärte. 2007 hatten der Inhaber einer Apotheke und zwei weitere Pharmazeuten gegen das Washingtoner Health Department und weitere Behörden des Bundesstaats, darunter die Washingtoner Kommission zur Sicherung der pharmazeutischen Qualität (WPQAC), geklagt. Sie hatten religiöse Bedenken, Notfallkontrazeptiva abzugeben.

Eine Washingtoner Regel erlaubt Apotheken zwar, die Abgabe von Arzneimitteln aus bestimmten wirtschaftlichen Gründen zu verweigern, zum Beispiel bei Verdacht auf Rezeptbetrug oder Zahlungsunfähigkeit des Kunden. Aus religiösen Gründen darf die Apotheke die Abgabe aber nicht generell verweigern. In einzelnen Fällen dürfen sich Apotheker aus religiösen Beweggründen gegen die Abgabe von Arzneimitteln entscheiden – sie müssen aber gewährleisten, dass ein anderer Pharmazeut, der in der Apotheke arbeitet, das Rezept rechtzeitig beliefert. Diese Regel bleibt auch nach dem Urteil des Berufungsgerichts gültig.

Der Abgabezwang sei mit der Verfassung vereinbar, entschieden die drei Richter einstimmig. Die geltenden Regeln seien wichtig für die Patientensicherheit und damit im Sinne des Staates: „Die Zeit, die ein Patient verliert, während er zu einer anderen Apotheke fahren muss, insbesondere in weniger dicht besiedelten Regionen, kann sich negativ auf die Wirksamkeit der Arzneimittel niederschlagen“, argumentierte Richterin Susan Graber.

Hätten die Kläger Recht bekommen, hätte das nicht nur Auswirkungen auf die Abgabepraxis für Notfallkontrazeptiva gehabt, meinen die Richter. Zeugenaussagen als auch Prozessunterlagen deuteten darauf hin, dass die Auslegung der Belieferungsregelung auch für weitere Wirkstoffe Folgen gehabt hätte.

Es habe Beweise gegeben, dass Apotheken aus verschiedenen Gründen auch die Abgabe anderer Arzneimittel verweigert hatten, darunter Insulinspritzen für Diabetiker, HIV-Medikamente und Valium. Hätte das Berufungsgericht die Entscheidung der ersten Instanz bestätigt, wäre auch die Verweigerung anderer Medikamente hoffähig geworden. Vor dem Hintergrund, Patienten auch weiterhin den rechtzeitigen und sicheren Zugang zu Arzneimitteln zu ermöglichen, habe man dem vorinstanzlichen Urteil widersprochen, heißt es in der Begründung.

Das Gericht argumentierte, die Regelungen der WPQAC seien grundsätzlich als neutral zu bewerten und würden damit auch nicht die Berufsfreiheit einschränken. Vorschriften und Verbote gälten für alle in gleichem Maße. Die Regeln seien nicht diskriminierend, sondern allgemeingültig anwendbar. Es gebe kein Ungleichgewicht zwischen der Berücksichtigung religiöser Einwände und säkular motivierter Ausnahmen, so die Einschätzung der Richter. Die Kläger hatten vorgetragen, die WPQAC habe sich ihnen gegenüber in der Vergangenheit aufgrund ihres religiösen Hintergrunds diskriminierend verhalten.