Reduktion der Keimzahl

Cannabis: Verändert Bestrahlung die Qualität? Alexandra Negt, 09.02.2022 13:45 Uhr

Die Bestrahlung von Cannabis erhöht die Produktsicherheit und schützt vor Schimmelbefall. Foto: Pixabay
Berlin - 

Medizinisches Cannabis ist von verschiedenen Herstellern in unterschiedlichen Qualitäten am Markt erhältlich. Nicht nur die THC- und CBD-Werte unterscheiden sich, sondern auch die Art des Anbaus und die Behandlung der Blüten vor dem Verpacken. Einige Anbieter bestrahlen die Cannabisblüten vor dem Inverkehrbringen aus Sicherheitsgründen um die Keimanzahl zu reduzieren, andere verzichten darauf.

Cannabis ist ein natürliches Produkt. Wie alle Pflanzenteile können auch die THC- und CBD-haltigen Blüten Keime enthalten. Damit es nicht zu einer Besiedlung mit Pilzen oder Ähnlichem kommt, kann das Produkt vor dem Verpacken mit ionisierenden Strahlen behandelt werden, um die mikrobielle Qualität zu verbessern.

Die Bestrahlung von Arzneimitteln ist dabei gesetzlich streng geregelt. Im Arzneimittelgesetz (AMG) und in der Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel (AMRadV) finden sich die Einzelheiten zu den Vorgaben. So besagt die Verordnung beispielsweise, dass Strahlung in Arzneimitteln lediglich zur Reduktion der Keimzahl eingesetzt werden darf. Hierbei ist eine maximale Strahlendosis von 32 kGy (Kilogray) vorgeschrieben. Strahlungsquellen sind ausschließlich Kobalt 60 oder Caesium 137.

Übrigens: Bei der Bestrahlung von Arzneimitteln entstehen keine Radionuklide. Die Bestrahlung muss im Fall von Cannabis durch die Cannabisagentur zugelassen sein. Auch Importeure brauchen eine Bestrahlungslizenz. Für jedes bestrahlte Produkt benötigt man eine separate Zulassung, die für die Unternehmen, die diesen Weg aus Sicherheitsgründen gehen, zeit- und kostenintensiv ist.

Bei der Keimreduktion durch Bestrahlung wird das Produkt nicht beschädigt. Bei anderen Sterilisationsverfahren, wie der Hitzesterilisation, kommt es unter Umständen zu Veränderungen am Produkt, die mit Qualitätseinbußen einhergehen. Anders bei der Bestrahlung von Cannabisblüten. Dennoch steht vor allem die Bestrahlung beim Endverbraucher oft durch Unwissen begründet in der Kritik. Bislang konnten keine negativen Auswirkungen für den/die Anwender:in ausgemacht werden. Auch die Produktqualität wird nicht negativ beeinflusst. So zeigt eine Untersuchung, dass das Verfahren der Gamma-Sterilisation, unabhängig von der Cannabissorte, keinen Einfluss auf die THC- und CBD-Werte hat. Allein bei einer Unterkategorie der Terpene konnte man eine geringfügige Reduktion des Gehaltes messen. Je nach Monoterpen wurde ein Abbau von im Durchschnitt 10-20 Prozent beobachtet.

Terpene: Terpene gelten als dritte Wirkkomponente in Cannabisblüten und -extrakten. Sie tragen zum synergistischen Effekt bei. Von den mittlerweile mehr als 600 Inhaltsstoffen der Cannabispflanze handelt es sich bei über 200 Verbindungen um Terpene. Die beiden Hauptwirkstoffe in Cannabis bleiben jedoch nach wie vor THC und CBD.

Bestrahlung ist insbesondere für die Patient:innen wichtig, die Cannabis bei gleichzeitiger schwerer Grunderkrankung anwenden. Denn ein Befall mit Pilzen wie Aspergillus fumigates können Gesundheitsrisiken, vor allem für immunsupprimierte Patient:innen, darstellen. Auch Menschen, die durch Rauchen bereits vorgeschädigte Lungen haben oder Personen mit einem Emphysem können beim Einatmen von Pilzen und deren Sporen gesundheitliche Schäden erleiden.

Vorgehen bei Schimmel

Bei unbestrahlten Blüten kann es vorkommen, dass bereits beim Wareneingang sichtbare Mängel vorliegen. Sollte ein Schimmelbefall ersichtlich sein, so entspricht die Ware nicht den pharmazeutischen Anforderungen und kann retourniert werden. Doch es kommt auch vor, dass der/die Patient:in zurück in die Apotheke kommt und die leicht weißlichen Blüten in der Kruke vorzeigt. Zum Zeitpunkt der Abgabe können diese optisch noch einwandfrei gewesen sein – der Schimmel entwickelt sich über die Zeit, die generelle Belastung mit dem Pilz war in diesen Fällen jedoch meistens bereits vorhanden, wenn auch unsichtbar.

Da der Qualitätsmangel auch die Compliance des/der Patient:in beeinflussen kann, sollte eine ausführliche Rücksprache gehalten werden. Nach Rücksprache mit dem Arzt/der Ärztin kann die Blüte eventuell gewechselt werden. Kommt eine bestrahlte Blüte ebenfalls für die Therapie in Frage, so könnte ein Wechsel die Wiederholung eines solchen Vorfalles vermeiden – die Therapietreue wird erhöht. Im Backoffice-Bereich sollte eine Meldung an die Arzneimittelkommission erfolgen, denn eventuell sind zahlreiche Kruken oder Beutel von dem Schimmelbefall betroffen.

Achtung: Für Apotheker:innen und PTA ist nicht immer gleich ersichtlich, ob eine Blüte bestrahlt ist, oder nicht. Da Apotheken keine mikrobiologische Nachtestung vornehmen können, kann es zu Beanstandungen seitens der Patient:innen kommen, wenn der Qualitätsmangel zum Zeitpunkt der Abfüllung in der Apotheke noch nicht ersichtlich war.