Mono- oder Kombivakzin

Nicht lieferbar: Können Impfstoffe ausgetauscht werden? Alexandra Negt, 27.05.2022 11:37 Uhr

Nicht immer sind die Impfstoffe, die der Arzt/die Ärztin verordnen will, auch verfügbar. Foto: Vach cameraman/Shutterstock.com
Berlin - 

Lieferengpässe machen auch vor Impfstoffen nicht halt. Bei einigen Erkrankungen gibt es zudem schon seit Jahren keinen Monoimpfstoff mehr. Doch wie verhält es sich eigentlich mit dem Austausch von Vakzinen? Hat der/die Versicherte überhaupt Anspruch auf einen abweichenden Impfstoff?

Impfstoffe sind eine besondere Produktgruppe in der Apotheke. Zumeist erfolgt die Abgabe direkt an die Arztpraxis im Rahmen der Belieferung mit Sprechstundenbedarf. Ab und an kommen Kund:innen auch mit einem Privatrezept in die Apotheke – dann handelt es sich meist um Reiseimpfungen, die von den Kund:innen bezahlt werden müssen.

Um Impfungen auch bei Lieferengpässen gewährleisten zu können, dürfen Ärzt:innen vom eigentlich zu verordnenden Impfstoff abweichen. In der Praxis heißt das zumeist die Verwendung eines Kombinationsimpfstoffes anstatt eines Monoimpfstoffes. Bekanntes Beispiel: Masern und Röteln. Bei Masern gilt für Kinder und einige Erwachsene eine Impfpflicht (einrichtungsbezogene Impfpflicht für Angestellte in Gemeinschaftseinrichtungen und medizinischen Einrichtungen). Doch in Deutschland sind seit Längerem ausschließlich Kombinationsimpfstoffe verfügbar. Ärzt:innen können auf MMR- (Mumps-Masern-Röteln) oder MMRV-Impfstoffe (Mumps-Masern-Röteln-Varizellen) zurückgreifen.

Besonderheit Lebendimpfstoff: Masern-Vakzine sind Lebendvirusimpfstoffe, und auch die Antigene gegen Mumps, Röteln und Windpocken sind abgeschwächte Virusstämme. Demnach dürfen nicht alle Personen ohne Einwände gegen MMR geimpft werden. Für Menschen mit geschwächtem Immunsystem, egal ob angeboren oder durch Medikamente erzeugt, gilt eine besonders strenge Nutzen-Risiko-Abwägung.

Die Verwendung von Kombinationsimpfstoffen wird von der Ständigen Impfkommission (Stiko) generell empfohlen. So kann die Anzahl der Injektionen bei Kindern so gering wie möglich gehalten werden.

Auch für Röteln ist seit 2012 kein Monoimpfstoff mehr verfügbar. Vor allem für junge Frauen mit Kinderwunsch ist eine Impfung gegen Röteln vor Einsetzen einer Schwangerschaft wichtig. Infiziert sich die Frau während der Schwangerschaft, so kann es zu Komplikationen und Fehlbildungen beim Kind kommen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PE) listet aktuell folgende Röteln-Impfstoffe: M-M-RVAXPRO (MMR, Merck Sharp & Dohme), Priorix (MMR, GSK), Priorix-Tetra (MMRV, GSK) und ProQuad (MMRV, Merck Sharp & Dohme).

Wichtig: Eine Impfung gegen Röteln sollte vor der Schwangerschaft erfolgen, da es sich um einen Lebendimpfstoff handelt. Eine Injektion während Schwangerschaft und Stillzeit ist kontraindiziert. Frauenärzt:innen empfehlen überdies einen Monat nach der Spritze zu warten, bis eine Empfängnis erfolgt. Sollte es dennoch zu einer unbewussten Röteln-Impfung kommen, stellt dies keinen Grund zum Schwangerschaftsabbruch dar. „Bei vielen hundert dokumentierten Impfungen während bzw. kurz vor einer Schwangerschaft wurde kein erhöhtes Risiko für kongenitale Fehlbildungen festgestellt“, informiert das RKI.

Wenn nun kein Monoimpfstoff vorhanden ist, dürfen die Ärzt:innen laut Schutzimpfungs-Richtlinie auch auf einen anderen Impfstoff mit zusätzlichem Antigen ausweichen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt in der Richtlinie genauen die Regeln zum Austausch fest. So ist Voraussetzung für einen Austausch eines Impfstoffes ein vom PEI festgestellter Lieferengpass. Dabei wird der Lieferengpass als über zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung der Auslieferung durch den Hersteller defineirt. Auch eine unerwartete, deutlich vermehrte Nachfrage – wie es aktuell beim Pocken-Impfstoff der Fall ist – kann zum Ausrufen des Lieferengpasses führen. Laut Richtlinie gilt dieser als beendet, wenn das PEI die Feststellung des Lieferengpasses auf seiner Internetseite wieder aufhebt.

Interessant: Grippeimpfstoffe unterliegen einer abweichenden Regelung. So schreibt das PEI: „Die Benachrichtigung über den Abverkauf von saisonalen Influenzaimpfstoffen durch den Zulassungsinhaber stellt keine Lieferengpassmeldung dar. Diese Impfstoffe kommen nur unmittelbar vor und während der Grippesaison für einen begrenzten Zeitraum zum Einsatz und werden daher nur für diesen Zeitraum produziert und ausgeliefert.“

Folgende Lieferengpässe bestehen laut PEI aktuell: Priorix-Tetra (MMRV, GSK) bis August, VAQTA (Hep A, MSD) bis voraussichtlich Juli und Infanrix-IPV+Hib (GSK) bis Juli. Als Alternative zu Priorix-Tetra nennt das Institut ProQuad (Merck Sharp & Dohme). Anstatt VAQTA kann Havrix 1440 (GSK) genutzt werden und bei Infanrix-IPV-Hib ist lediglich die Einzelspritze nicht lieferbar. Hier können Ärzt:innen auf die 10er-Packung ausweichen.