Zyto-Verträge

Die 150-Millionen-Offerte der Apotheker APOTHEKE ADHOC, 07.09.2016 10:26 Uhr

Berlin - 

Die Apotheker und Fachärzte versuchen gemeinsam, die Politik von den Nachteilen der Zyto-Ausschreibungen zu überzeugen. Doch der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat auch schon andere Versuche unternommen, die Exklusivverträge aus der Welt zu schaffen: Den Kassen wurde unter anderem ein zusätzlicher Rabatt von 150 Millionen Euro im Rahmen der Hilfstaxe angeboten. Bislang sei das Ganze aber an der Umsetzung gescheitert.

DAV-Chef Fritz Becker äußerte sich bei einer gemeinsamen Veranstaltung von acht Fachverbänden der Ärzte und Apotheker zuversichtlich, dass man mit dem GKV-Spitzenverband zu einer Einigung kommt. Neben Einsparungen bei der Hilfstaxe sind demnach Verträge über die Ausgangsstoffe Teil der Verhandlungen.

Der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) hatte bereits im Rahmen der Anhörung zum Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) eine Anpassung der Hilfstaxe als Alternative ins Spiel gebracht. Die Zyto-Apotheker hatten den Kassen in diesem Zusammenhang auch eine größere Preistransparenz in Aussicht gestellt. Das Gesprächsangebot liege auf dem Tisch, heißt es beim VZA, für die konkreten Zahlen sei allerdings der verhandlungsführende DAV zuständig.

Das „Handelsblatt“ hatte zuerst über ein entsprechendes schriftliches Angebot des DAV an den Verband der Ersatzkrankenkassen (VDEK) berichtet – aktuell läuft die erste bundesweite Ausschreibung der dort organisierten DAK sowie der GWQ. Dort wurde eine entsprechende Mail bestätigt, die aber zuständigkeitshalber an den GKV-Spitzenverband weitergeleitet worden sei. Der GKV-Spitzenverband wollte das gegenüber dem „Handelsblatt“ nicht bestätigen.

Die DAK hätte sich laut Handelsblatt fast auf diesen „Ablasshandel“ eingelassen. Allerdings stellte sie dem Bericht zufolge eine Reihe von Bedingungen, die der DAV nicht erfüllen konnte. So sollte er sicherstellen, dass Apotheken, die sich bereits an der Ausschreibung beteiligt haben, keine Schadenersatzansprüche stellen, wenn das Verfahren aufgehoben wird. Das konnte der DAV nicht.

Aus Verhandlungskreisen ist ein anderes Argument zu hören: Da nicht alle Kassen bereit seien, auf die Ausschreibungen zu verzichten, sei eine Anpassung der Hilfstaxe schwierig. Bei der Abrechnung müsste in der Hilfstaxe dann zwischen Kassen mit und ohne Exklusivverträge unterschieden werden, was aber schlechterdings nicht möglich sei. Daher habe es bislang keine Einigung gegeben.

Wenn die Apotheker die Kassen nicht mit Zahlen überzeugen können, soll die Politik eingreifen und Ausschreibungen verbieten. Im Bundesgesundheitsministerium (BMG) gibt es hierzu bereits Bewegung. Auch die Gesundheitsminister der Länder haben sich gegen die Zyto-Verträge positioniert.

Nachdem einzelne Facharztverbände schon in der Vergangenheit gegen die Verträge getrommelt haben, haben nun der DAV und VZA mehrere Berufsverbände um sich geschart: den Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), die Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP), die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), den Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO) sowie die Berufsverband Niedergelassener Gynäkologischer Onkologen in Deutschland (BNGO).

Aus Sicht der Ärzte und Apotheker gefährden solche Exklusivverträge die Versorgungsqualität, schränken den Patientenwillen ein und erhöhen das Risiko von Lieferengpässen.

„Exklusivverträge für Zytostatika-Rezepturen zerstören die flächendeckende Versorgungsstruktur. Nach jeder Ausschreibungsrunde bleiben weniger Gewinner übrig und immer mehr Spezialapotheker müssen aufgeben“, sagt DAV-Chef Fritz Becker. „Der Gesetzgeber muss bald handeln und solche Ausschreibungen verbieten: Es kann nicht sein, dass die Krankenkassen die Zytostatika-Versorgung kaputt sparen.“

Ähnlich äußert sich Professor Dr. Stephan Schmitz, Vorstandsvorsitzender BNHO: „Mit Ausschreibungen dringen die Kassen nicht nur in die Entscheidungskompetenz des Arztes ein, sondern auch in das besonders geschützte Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient. Das ist aus Sicht der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen nicht akzeptabel.“

VZA-Chef Dr. Klaus Peterseim fügt hinzu: „Eine ordentliche Patientenversorgung mit individueller Überprüfung und Beratung durch die Apotheken gerät durch die Ausschreibungen in den Hintergrund. Die einheitliche und multiprofessionelle Zusammenarbeit bei Chemotherapien zwischen onkologischen Praxen und hochqualifizierten Apotheken wird durch Exklusivausschreibungen vernichtet.“