Westfalen-Lippe

Overwiening tritt aus Verband aus Julia Pradel, 12.06.2015 15:28 Uhr

Berlin - 

Nordrhein-Westfalen ist berufspolitisch ein heißes Pflaster. Nicht nur zwischen den Apothekerverbänden gibt es Stress, sondern nun auch zwischen Kammer und Verband in Westfalen-Lippe. Stein des Anstoßes ist die PTA-Ausbildung. Mitten in dieser Gemengelage haben sich Kammerpräsidentin Gabriele Overwiening und ihr Vize René Graf dazu entschlossen, aus dem Verband auszutreten – aus persönlichen Gründen, wie beide betonen.

Overwiening beteuert, ihr Austritt habe private Gründe und sei keinesfalls als Protest gemeint. Probleme habe sie mit der Zielsetzung des Verbands und damit, welche Entscheidungen getroffen würden – und auf welche Art und Weise. „Das ist etwas, womit ich mich als Apothekeninhaberin nicht mehr identifizieren kann“, sagt Overwiening.

Aus ihrer Sicht lebt sie eine andere Unternehmenskultur: „Ich mache keine Direktgeschäfte, habe kaum Freiwahl und stehe ganz hinter dem Perspektivpapier 2030“, erklärt die Kammerpräsidentin. Overwiening war Teil des sechsköpfigen Teams aus Vertretern von Kammern und Verbänden, das dem Leitbild nach dem Konvent den letzten Schliff gab. Dabei ging es vor allem um pharmazeutische Kompetenzen und ihre Weiterentwicklung.

Verbandschef Dr. Klaus Michels hingegen gilt als Befürworter merkantil ausgerichteter Apotheken. In der Leitbild-Debatte hatte er vor allem davor gewarnt, das Sortiment der Apotheken zu beschneiden, und sich gegen „jede weitere wirtschaftliche Beschränkung der Apothekentätigkeit“ ausgesprochen. Bei der Novelle der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) im Jahr 2011 hatten sich Michels und sein Geschäftsführer Dr. Sebastian Schwintek öffentlich gegen die verfasste Apothekerschaft gestellt und eine weite Definition von „apothekenüblichen Waren und Dienstleistungen“ gefordert.

Trotz dieser unterschiedlichen Einschätzungen: Ihr Austritt solle nicht als Affront verstanden werden, so Overwiening. Als Kammerpräsidentin werde sie weiterhin mit dem Verband und Michels zusammenarbeiten. Sie ist aber auch davon überzeugt, dass der Verband zu ihrer Mentalität passen sollte – oder dass sie das Recht habe, auszutreten, wenn er es nicht tue.

Abgesehen davon – und Overwiening betont mit Nachdruck, dass ihr Austritt damit nichts zu tun habe – war das Verhältnis zwischen Kammer und Verband zuletzt angespannt. Grund ist die PTA-Ausbildung. Seit die Landesregierung die Zuschüsse gestrichen hat, wird darüber diskutiert, wie die Ausbildung sichergestellt werden kann. Ziel ist es, das Schulgeld nicht nur zu reduzieren, sondern im besten Fall ganz abzuschaffen.

Drei Modelle kommen Overwiening zufolge in Betracht: Die Ausbildung könnte an Berufskollegs verlagert werden, dann müsste das Land die Kosten tragen. Dass diese Variante durchgesetzt wird, erscheint derzeit unwahrscheinlich. Außerdem sind ein Verzahnungs- und ein Stipendienmodell im Gespräch.

Bei der Kammer wird das Stipendienmodell favorisiert, die Kammerversammlung soll in der kommenden Woche einen entsprechenden Beschluss verabschieden. Die Schüler sollen ein Darlehen erhalten, das ihnen zum Teil oder ganz erlassen werden soll, etwa wenn sie Prüfungen bestehen oder in einer Apotheke in Westfalen-Lippe arbeiten. Die Finanzierung müsste aus Sicht der Kammer zu großen Teilen der Verband übernehmen, er könnte aber andere Arbeitgeber wie die Industrie dazuziehen. Die Kammer hingegen dürfe – wenn überhaupt – nur einen kleinen Teil ihres Haushalts für die PTA-Ausbildung aufbringen.

Der Verband sieht das offenbar anders, dort wird das Verzahnungsmodell propagiert. Bei einer vom Verband veranstalteten Pressekonferenz wurde das Konzept vorgestellt, bei dem die Schüler von Beginn ihrer Ausbildung an in einer Apotheke arbeiten sollen. Die Apotheken würden im Gegenzug das Schulgeld tragen.

Dass der Verband auf eigene Faust vorgeprescht ist, hat bei der Kammer für Unmut gesorgt. Mit einem Brief hat sich Overwiening an Michels gewandt. „Wir sind in einem konstruktiven Austausch“, betont die Kammerpräsidentin. Michels will sich nicht äußern.