Rahmenvertrag

Kassen: Akte DocMorris bleibt geheim Alexander Müller, 21.09.2017 15:15 Uhr

Berlin - 

Wenn DocMorris den eigenen Kunden falsche Quittungen über die geleisteten Zuzahlungen ausstellt, werden die Krankenkassen und das Finanzamt betrogen. Die Kanzlei Hönig & Partner hatte deshalb im Namen mehrerer Apotheker beim GKV-Spitzenverband angeregt, die Zur Rose-Tochter von der Versorgung gesetzlicher Versicherter auszuschließen – vergeblich. Die Kassen wollen auch nicht alle Karten auf den Tische legen: Jetzt hat der Spitzenverband einen Antrag auf Akteneinsicht zurückgewiesen.

Das Steuerbüro Hönig & Partner aus Leipzig hatte den GKV-Spitzenverband bereits im November aufgefordert, DocMorris und die Europa Apotheek Venlo (EAV) vom Rahmenvertrag auszuschließen. Weil die Antwort alles andere als zufriedenstellend war, wurden im März Beweise nachgereicht: DocMorris hatte einer Kundin eine Zuzahlungsquittung zur Vorlage an die Krankenkasse ausgestellt. Vom Kundenkonto der Frau war tatsächlich jedoch nur die Hälfte des Betrags abgebucht worden. Für Hönig & Partner ein klarer Fall von vorsätzlicher Täuschung.

Weil sich die Kassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht so offensichtlich täuschen lassen dürfen, mussten sie der Sache nachgehen. Zwischenzeitlich hatten zudem das Landgericht Ravensburg (LG) sowie das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) die niederländische Versandapothekenwegen genau wegen dieser Tricksereien verurteilt: Mit den Quittungen täusche DocMorris die Kassen und den Fiskus.

DocMorris hatte gegenüber dem GKV-Spitzenverband auf Nachfrage versichert, dass die Rechnungsstellung angepasst werde, dies werde aufgrund des „größeren Programmieraufwands“ aber erst im dritten Quartal möglich sein. Laut Fabian Virkus, Rechtsanwalt bei Hönig & Partner, hat DocMorris damit nicht nur die Verstöße eingeräumt, sondern auch zugegeben, die Kassen bislang belogen zu haben. Umso weniger sei zu verstehen, dass diese nach wie vor die Hände schützend über die Versandapotheke hielten und sich auf die lange Übergangszeit einließen. Weil er die Sache so absurd findet, hat er Akteneinsicht beantragt.

Der GKV-Spitzenverband hat die Frist zur Antwort auf den Tag genau voll ausgeschöpft und den Antrag nunmehr drei Monate später zurückgewiesen. Die von Hönig & Partner vertretenen Apotheker hätten keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Auch könne man den Antragstellern nicht ausnahmsweise dieses Recht einräumen, weil dem Interesse an der Vertraulichkeit der Akten auf Seiten der Versandapotheke der Vorzug zu geben sei.

Es sei schon zweifelhaft, ob der Ausschluss einer Apotheke überhaupt im Wege eines Verwaltungsaktes festzusetzen wäre, schreibt der GKV-Spitzenverband. Doch selbst in einem etwaigen Verwaltungsverfahren wären die Apotheker weder „Beteiligte“ noch „Antragsteller“ im Sinne des Sozialgesetzbuches, heißt es im Schreiben.

Aus allen Schreiben der Hönig-Anwälte sei nicht erkennbar, inwiefern die Apotheker ein eigenes Recht auf den Ausschluss der beiden Versender aus dem Rahmenvertrag geltend machen. Auf das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung allein können sich die Apotheker demnach nicht berufen, und auch nicht auf die Gefährdung der Arzneimittelsicherheit. „Damit machen Sie im Namen Ihrer Mandanten allein die Verletzung von Rechten der Allgemeinheit geltend.“

Die Antragsteller hätten zudem gerade nicht dargelegt, in welchen Rechten die Apotheker im Allgemeinen durch den unterbliebenen Ausschluss von DocMorris verletzt sein sollen. Daher könnten die Apotheker keine Rechte geltend machen und auch keine Akteneinsicht erhalten. Eine Täuschung der Krankenkassen sei kein subjektives Recht der von Hönig vertretenden Apotheker.

Virkus findet diese formaljuristische Begründung ziemlich brisant. Immerhin sei DocMorris ein direkter Konkurrent, der sich nicht an die einschlägigen Vorschriften halte. „Was da eigentlich gespielt wird, wir wissen es nicht“, so Virkus. Die Kanzlei will jetzt prüfen, wie sie mit der Antwort des GKV-Spitzenverbands umgehen und in der Sache weiter verfahren soll.

Der Anwalt hatte früher schon geäußert, dass der GKV-Spitzenverband verpflichtet sei, Verstöße gegen den Rahmenvertrag zu ahnden. Theoretisch bestehe daher die Möglichkeit, den Kassenverband gerichtlich zum Handeln zu zwingen. Das habe allerdings noch niemand versucht und die Erfolgsaussichten seien ungewiss.

Der GKV-Spitzenverband sieht allerdings keine Veranlassung für Sanktionen: Nach dem EuGH-Urteil sei auch der Rahmenvertrag „europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass im EU-Ausland ansässige Apotheken im grenzüberschreitenden Versandhandel Boni gewähren dürfen“, hieß es in einer frühen Stellungnahme.